der rechte rand: Keine Läuterung im Knast
Wegschauen geht nicht: 25 Prozent mehr Neonazis haben die Verfassungsschützer gezählt – für die taz nord beobachtet Andreas Speit den rechten Rand. Kontinuierlich.
Zwei Verbrecher, eine Gesinnung. Seit längerem sind die Neonazis Kay Diesner und Peter Borchert in der Justizvollzugsanstalt Lübeck inhaftiert. Diesner wegen Mordes und mehrfachen Mordversuchs, Borchert wegen Waffenhandels in 13 Fällen und Körperverletzung. In der Neonazi-Szene werden sie als „kämpferische Helden“ geehrt, ihre Verbrechen als „nationale Befreiungstaten“ gefeiert: Diesner hat einen Polizisten erschossen, zwei Beamte und einen Buchhändler schwer verletzt. Borchert soll Waffen für die Neonazi-Terrorgruppe „Combat 18 Pinneberg“ besorgt haben.
Aus der Haft bringen sich die Überzeugungstäter weiterhin in die Szene ein, bestätigt ein Sprecher des Verfassungsschutzes (VS) Schleswig-Holsteins: „Sie versuchen aber nicht, die Szene vom Gefängnis aus zu steuern.“ Die beiden sind im Norden nicht die einzigen, die, unterstützt durch Kameradschafts-Netzwerke und Hilfsgemeinschaften, in der Haft „standhaft“ bleiben. Seit über 27 Jahren betreut die „Hilfsgemeinschaft für nationale politische Gefangene“ (HNG) rechte Sträflinge. Aktuell wird sie von Ursula und Curt Müller geführt. Gerade erst haben sie die „Märtyrer der nationalen Sache“, wie sie verurteilte Rechtsterroristen und Holocaustleugner nennen, um Briefkontakt gebeten: In den HNG-Nachrichten haben rechtsradikale Häftlinge eine Plattform für Veröffentlichungen. Darüber hinaus sorgt der in Frankfurt eingetragene Verein durch seine etwa 500 Mitglieder offenbar auch für materielle Unterstützung. Nach Eigenangaben erhält die HNG große Spenden. „Obwohl die Organisation bei uns verboten ist, ist sie aktiv“, gibt eine Sprecherin des Justizministeriums Mecklenburg-Vorpommerns zu. Über Privatadressen würden Kontakte gehalten.
Wenig Unterstützung bietet die „Braune Hilfe“ bisher Kameraden an. Vor allem, seit das Amtsgericht Neumünster 2003 die Eintragung als Verein abgelehnt hat, scheint die Arbeit erschwert. Das Gericht erkannte deutliche „Bezüge zum Nationalsozialismus“. Große Resonanz habe die Gruppe aber ohnehin nicht gefunden, so der VS: „Die HNG scheint der Szene auszureichen.“
In den JVAs schließen sich die rechten Straftäter oft auch zu neuen „Kameradschaften“ zusammen. Aus solchen Gruppen ist in der JVA Brandenburg der Rundbrief der „Weiße Wolf“ und im Hamelner Gefängnis die Knast-Zeitung „Redaktion 88“ entstanden. Diese würden, so erklärt ein Mitarbeiter der „Aussteigerhilfe Rechts“ (AR), „helfen, das alltägliche Leben im Knast zu regeln“. Problematisch sei das, weil, sobald ein rechter Straftäter ins Gefängnis kommt, rechte Inhaftierte gleich auf ihn zugingen. Die gruppendynamischen Prozesse würden ein mögliches individuelles Umdenken behindern. Seit 2001 bemüht sich die am niedersächsischen Justizministerium angesiedelte AR, um rechte Straftäter. „Sie müssen zu uns kommen, das ist die Voraussetzung“, betont der Mitarbeiter. Der Druck des Gruppenzusammenhalts erschwert die sozialpädagogische Arbeit, deren Ergebnisse aus Angst vor Gefährdung der Ausstiegswilligen nie öffentlich gemacht werden. Schon die Verurteilung werde von den meisten rechten Straftätern als „Angriff des Systems“ gewertet, erklärt der AR-Mitarbeiter: „In der Haft werden manche Rechte zu harten Neonazis.“
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