: Lederer lässt WASG links liegen
Linksparteichef Klaus Lederer bricht alle Kontakte zur Wahlalternative ab. Grund: deren Nein zum gemeinsamen Wahlantritt. Der Bundes-WASG empfiehlt er, dem Landesverband das Geld zu sperren
VON MATTHIAS LOHRE
Die Bibel könnte Pate gestanden haben. Frei nach dem Johannes-Evangelium hat die Wahrheit Klaus Lederer frei gemacht. Jetzt muss der Linkspartei-Landeschef nicht mehr versöhnen statt spalten. Nachdem die WASG am vergangenen Wochenende einem gemeinsamen Wahlantritt die erwartete Abfuhr erteilt hat, durfte Lederer über die störrischen Linksaußen gestern endlich den Stab brechen. Die Differenz zwischen den Politikvorstellungen von Wahlalternative und Linkspartei, schimpfte Lederer, sei „so groß wie die zwischen Berlin und Wolkenkuckucksheim“.
Ursprünglich wollte Lederer bei dem Pressetermin gestern von den Wahlkampfplänen seiner Partei berichten. Beispielsweise dass der Landesverband am 17. September 30 bis 32 Direktmandate und mindestens 17 Prozent der Wählerstimmen erringen will. Und dass der Landesvorstand Wirtschaftssenator Harald Wolf erwartungsgemäß als Spitzenkandidaten nominiert hat. Doch die deutliche Zweidrittelmehrheit der WASG-Delegierten, die am Samstag für einen Wahlantritt in Konkurrenz zur Linkspartei stimmte, ließ Lederer nicht ruhen.
Nach einem halben Jahr öffentlich demonstrierter Kompromissbereitschaft fällt von der Ex-PDS nun alle Taktiererei ab. Das Spiel ist gelaufen. Falls die heute beginnende WASG-Urabstimmung (siehe Kasten) nichts an der derzeitigen Lage ändere, so der Linksparteichef, „sind wir konkurrierende Parteien“. Deshalb will seine Partei jeden Kontakt mit den Fusionsgegnern bis auf weiteres einstellen.
Doch dabei bleibt es nicht. Der WASG-Bundesspitze empfahl Lederer, dem störrischen Landesverband im beginnenden Abgeordnetenhaus-Wahlkampf den Geldhahn zuzudrehen. Alles andere wäre „grotesk“, denn: „Die Berliner WASG ist aus dem Projekt ‚Neue Linkspartei‘ ausgestiegen.“
Was bedeutet das Ausscheren der Hauptstadt-WASG für die vereinbarte Fusion auf Bundesebene? Immerhin haben nicht nur Verfassungsrechtler, sondern auch die Ex-PDS selbst für diesen Fall die Zerschlagung der Linke-Fraktion im Bundestag beschworen. „Das schadet dem Projekt“, sagte Lederer nun dazu. Die Frage nach juristischen Auswirkungen für Gysi, Lafontaine & Co. sei aber „zweitrangig“. Und überhaupt: „Das enthebt sich schlicht unserem Zugriff.“ Laut Geschäftsordnung des Bundestages dürfen Fraktionen nur Mitglieder aufweisen, deren Parteien „in keinem Land miteinander im Wettbewerb stehen“. Es sei denn, der Bundestag stimmt dem zu. Ob dieser Paragraf 10 auch auf den hiesigen Fall zutrifft, ist umstritten.
Lederers Wut auf die Wahlalternative macht nur mit Mühe vor dem Drittel der Delegierten Halt, das gegen den Konkurrenzantritt gestimmt hat. Kooperative WASG-Leute wie die „Initiative Rixdorf“ möchte die Linkspartei gern in ihre Reihen aufnehmen. Doch ihr Interesse an den Fusionsbefürwortern ist gering. Als Mitglieder nutzen die wenigen hundert WASGler der 10.000 Mitglieder starken Partei nur wenig.
Lederers biblischer Zorn könnte jedoch auf ihn zurückschlagen. Die stigmatisierte WASG könnte der Linkspartei im September entscheidende Wählerstimmen abnehmen – und so die Fortführung der rot-roten Koalition doch noch torpedieren.
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