Geheime Atomwaffen

Die Linkspartei fordert heute den Abzug aller Atomwaffen aus Deutschland. Dabei gibt es sie offiziell gar nicht

BERLIN taz ■ Wo in Deutschland Atomwaffen gelagert sind und wie viele es gibt, ist ein Staatsgeheimnis. Daran dürfte sich auch heute nichts ändern, wenn der Bundestag über Anträge der Opposition debattiert. Die Linken fordern den Abzug aller US-Atomwaffen aus Deutschland, die Grünen aus ganz Europa.

Atomwaffen? Hier bei uns? Während Politiker von Union und SPD täglich über die drohende Aufrüstung des Iran reden, wird das nukleare Arsenal im eigenen Land verdrängt. Experten gehen davon aus, dass nach wie vor bis zu 100 Atomwaffen in Deutschland lagern – 20 davon wahrscheinlich in Büchel.

Doch Genaues weiß man nicht, ihre Existenz wird offiziell nicht bestätigt. In ihrer Antwort auf detaillierte Anfragen der Linksfraktion verweigerte die Regierung aus Sicherheitsgründen jegliche Angaben zu „eventuell“ in Deutschland lagernden Nuklearwaffen. Die Regierung will nicht einmal verraten, ob sie selbst etwas weiß. So fragten die Linken: „Kann die Bundesregierung versichern, dass sie jederzeit und präzise durch die zuständigen US-Behörden über Anzahl, Art und Lagerung der in Deutschland befindlichen Atomwaffen informiert wird?“ Die Antwort: keine Antwort.

Dabei hatte Exverteidigungsminister Peter Struck (SPD) das Thema vor einem Jahr selbst auf die Agenda gebracht. Er wollte über einen Abzug sprechen – „mit den anderen europäischen Verbündeten, in deren Ländern auch noch Atomwaffen stationiert sind“. In diese Richtung äußerte sich gestern auch der SPD-Abgeordnete Rolf Mützenich. Was aus Strucks Vorstoß geworden ist, könne er nicht sagen, erklärte Mützenich der taz. Es gehe aber auf jeden Fall nicht nur um die Atomwaffen in Deutschland. „Mir ist wichtig, dass wir die Fragen der taktischen Atomwaffen insgesamt klären.“ Wer wie er für eine Abrüstung eintrete, müsse auch die Atomwaffen in Belgien, Griechenland „und vor allem in Russland“ einbeziehen.

US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld erklärte Ende letzten Jahres im Spiegel auf die Frage, warum immer noch US-Atomwaffen auf deutschem Boden gelagert seien: „Ich denke, das überlasse ich den Deutschen und der Nato.“ Die Linken wollten nun wissen, ob die Regierung Rumsfelds Auffassung teile, wonach die Entscheidung nicht bei den USA, sondern bei der Regierung in Deutschland liege. Die Antwort: Dies sei dem zitierten Interview nicht zu entnehmen.

Welche Aufgaben Deutschland bei einem Einsatz der Waffen übernehme? Keine Antwort. Immerhin wird versichert: „Die Bundesregierung plant keine Atomwaffeneinsätze.“ Die gesamte „Antwort“ der Regierung lässt sich nachlesen unter: dip.bundestag.de/btd/16/005/1600568.pdf. LUKAS WALLRAFF