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Umgang mit Arbeitslosen gerügt

Richterschelte für Hartz-IV-Behörde: Gericht erklärt Überweisung von Arbeitslosen an private Vermittlungsagenturen für rechtswidrig. Behörde verteile Betroffene willkürlich

Erstmals hat ein Gericht die Praxis der Hamburger Hartz-IV-Behörde (Arge) verurteilt, Jobsuchende pauschal privaten Arbeitsvermittlern zuzuweisen. Das Sozialgericht hat in einem jetzt veröffentlichten Urteil vom 7. Dezember 2005 (AZ S 52 AS 1233/05) die Überweisung eines IT-Fachmannes an eine externe Vermittlungsagentur aufgehoben. Der Mann hatte gegen die Zuweisung geklagt, weil sie „unbestimmt“ erfolgt sei. Unter anderem besitze die beauftragte Vermittlung für seinen Berufszweig keine Kompetenz.

Der arbeitslose Computer-Spezialist war im Herbst zu einer Veranstaltung einer privaten Vermittlungsagentur geschickt worden. Die sei von der Arge blind ausgewählt worden, trug der Mann in seiner Klage vor. Zudem sei er selbst zuvor nicht befragt worden. Der Private sei weder auf IT-Berufe spezialisiert, so der Kläger, noch biete er Leistungen an, die ihn weiterqualifizierten. So trainiere er dort nur, was er bereits ohne fremde Hilfe bewerkstelligen könne, etwa Bewerbungen zu schreiben.

Der Kläger ist kein Einzelfall. Die Arge schickt einen Großteil ihres Klientels zu Bewerbungstrainings, zur Vorbereitung auf Ein-Euro-Jobs sowie zur Vermittlung in feste Arbeit zu Dritten.

Das Gericht gab dem Computer-Spezialisten Recht. Im Zuweisungsbescheid fehle die Angabe, welche konkreten Tätigkeiten der private Vermittler durchführen solle. Auch sei offen gelassen, in welche Arbeitsstellen der Betroffene vermittelt werden solle. Als Verfahrensfehler wird benannt, dass die Arge den Mann vor der Zuweisung nicht angehört hatte. Sie hätte prüfen müssen, ob die private Vermittlung für ihn das geeignete Mittel zur Wiedereingliederung in feste Arbeit ist, rügte das Gericht. Die Zuweisung müsse dem „Bestimmheitsgebot“ genügen, sonst ist sie „rechtswidrig“.

Neudeutsch heißt das, dass die Arge mit allen Arbeitslosen, die sie weiterschickt, vorher ein Profiling machen oder, wenn dieses extern erfolgt, es überprüfen muss. So schreibt es der Gesetzgeber vor. Die Anwältin des Klägers, Heide Flügge, berichtet, dass sie schon zahlreiche Zuweisungsbescheide in private Arbeitsvermittlung oder in andere Maßnahmen gesehen habe. „Keine dieser Zuweisungen hat den gesetzlichen Anforderungen entsprochen“, warnt sie: „Die Arge gibt die Kontrolle völlig ab.“

Im vorigen Juli war die Arge schon einmal wegen ihrer Arbeitsweise gerichtlich zurechtgewiesen worden. Damals hatte ein arbeitsloser Sozialökonom seine Zuweisung in einen Ein-Euro-Job durch eine Klage abwenden können. Das Sozialgericht hatte die Praxis der Arge für rechtswidrig erklärt, den Mann ohne „individuelles Eingliederungskonzept“ in die Maßnahme zu zwingen (AZ L 5 B 161/05 ER AS). Ein Urteil war nicht ergangenen, weil die Arge den Zuweisungsbescheid vorher aufhob. EVA WEIKERT

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