: Justizsenator in Hamburg gefeuert
Mit der Entlassung des Justizsenators Roger Kusch (CDU) versucht Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust, seine Regierungskrise zu stoppen. Ermittlungen gegen Mitarbeiter in Sozial- und Justizbehörde wegen Geheimnisverrates eingeleitet
AUS HAMBURGSVEN-MICHAEL VEIT
Mit der Entlassung seines Justizsenators Roger Kusch hat Hamburgs Erster Bürgermeister Ole von Beust (beide CDU) gestern versucht, die Regierungskrise in der Hansestadt zu beenden. In deren Mittelpunkt steht außer Kusch noch Birgit Schnieber-Jastram (CDU), Zweite Bürgermeisterin und Sozialsenatorin, deren Amtsführung seit Monaten von einem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss geprüft wird. Er habe „das Grundvertrauen“ in seinen Senator und persönlichen Freund verloren, begründete der Regierungschef gestern diesen Schritt.
Nach Ansicht von Oppositionsführer Michael Neumann (SPD) hingegen werde von Beust dadurch „das Heft des Handelns nicht wieder in die Hand bekommen“. Der Bürgermeister sei „ein Getriebener der Entwicklung“.
Und die hatte sich über das Wochenende rasant zugespitzt. Am Sonntag hatte Kusch nach der Rückkehr aus seinem Urlaub auf einer spontanen Pressekonferenz seinen Duzfreund von Beust düpiert. Er werde nicht zurücktreten, erklärte der 51-Jährige, obwohl von Beust das am Sonnabend in einem Telefonat von ihm gefordert hatte. Ein Affront, den der Regierungschef gestern Vormittag nur mit der Entlassung beantworten konnte.
Kern der Krise des Hamburger CDU-Senats ist die so genannte Protokoll-Affäre. Vertrauliche Unterlagen aus dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss, der schwere Vorwürfe gegen die Zustände im Jugendknast Feuerbergstraße überprüft, waren dem Justizsenator und dem Staatsrat der Sozialbehörde, Klaus Meister, sowie mehreren ihrer leitenden Mitarbeiter zugegangen – auf aktive Anforderung oder unaufgefordert zugespielt. Meister wurde deshalb bereits vor einer Woche entlassen, weil er sich mit Hilfe der Unterlagen auf seine Vernehmung vor dem Ausschuss vorbereitet hatte. Kusch und Schnieber-Jastram durften bleiben, da sie versicherten, die Papiere „nicht gelesen“ zu haben.
Jetzt aber wurde bekannt, dass einige der Unterlagen aus der Chefetage der Justizbehörde an zwei „externe Personen“, so von Beust, weitergeleitet worden waren: an Kuschs Rechtsanwalt und an einen Mitarbeiter der CDU-Bundestagsfraktion in Berlin. Das, so von Beust nun, „hat das Fass zum Überlaufen gebracht“.
Denn Vernehmungsprotokolle und Akten eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses unterliegen höchster Vertraulichkeit, und schon gar nicht dürfen Regierungsmitglieder sie kennen oder gar an Dritte weiterleiten, deren Amtsführung von dem Ausschuss durchleuchtet werden soll. Gegen mehr als ein Dutzend Mitarbeiter von Sozial- und Justizbehörde hat deshalb die Hamburger Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen des Verdachts auf Geheimnisverrat eingeleitet.
Schnieber-Jastram habe „wirklich nichts gewusst“, beteuerte von Beust gestern, deshalb bleibe sie im Amt. Kusch allerdings habe jetzt „sein Vertrauenskapital aufgebraucht“. Als Nachfolger zur Wahl durch die Hamburger Bürgerschaft morgen nominierte von Beust Kuschs bisherigen Staatsrat Carsten Lüdemann (CDU). Der engste Mitarbeiter des geschassten Senators habe, da ist sich der Bürgermeister sicher, „von der ganzen Affäre auch nichts gewusst“.
weitere berichte taz nord SEITE 21
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen