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„Wir wollten keinen Judenstaat“

BILANZ Der israelische Friedensaktivist Uri Avnery wird 90. Ein Gespräch über eingerostetes Deutsch, seine Zeit als Soldat und die Freundschaft mit Jassir Arafat

Uri Avnery

■ Der Mensch: Uri Avnery wurde am 10. September 1923 als Helmut Ostermann im westfälischen Beckum geboren. 1933 floh seine Familie vor den Nazis nach Palästina.

■ Der Aktivist: Avnery schloss sich 1938 der jüdischen Untergrundorganisation Irgun an, um die britischen Besatzer aus Palästina zu vertreiben, im Israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948 wurde er schwer verwundet. Von 1950 bis 1990 war Avnery Herausgeber und Chefredakteur des linken Wochenmagazins Haolam Haseh, zehn Jahre war er Abgeordneter im israelischen Parlament, der Knesset. Er hielt Tausende Reden, schrieb Bücher und zahllose Artikel. Bei allem verfolgte er in erster Linie ein Ziel: Frieden mit den Palästinensern. 2001 wurde Avnery, seiner Frau Rachel und dem von ihm mitbegründeten Friedensblock Gusch Schalom der Alternative Nobelpreis verliehen.

■ Die Freunde: PLO-Chef Jassir Arafat war für Avnery der rechte Partner für eine Zweistaatenlösung zur Lösung des Nahostkonflikts. Beide trafen sich 1982, womit Avnery gegen ein israelisches Gesetz verstieß, das den Kontakt zur PLO unter Strafe stellte.

GESPRÄCH SUSANNE KNAUL

Rein äußerlich ist der fast 90-jährige Uri Avnery vom 70-jährigen kaum zu unterscheiden. Noch immer schlank und agil, mit vollem weißen Haar und Bart. Seine Wohnung in Tel Aviv liegt in zweiter Reihe zum Strand, überall Bücherregale und Fotos. Fast immer stand seine Frau Rachel hinter der Kamera. Nach 58 gemeinsamen Jahren starb sie im Mai 2011. Beide stammten aus gutbürgerlichen Familien, beide kamen aus Deutschland, unterschiedlich waren sie trotzdem. Er der abstrakte Denker, sie eher emotional. Er introvertiert, sie offen. Er der Optimist, sie eher Pessimistin. Avnery ließ den toten Körper gegen alle jüdischen Regeln verbrennen und die Asche ins Meer streuen. Dort, wo es bis zu seiner Wohnung durchschimmert.

sonntaz: Sie waren zehn Jahre alt, als Sie aus Deutschland emigrierten. Woran erinnern Sie sich besonders lebhaft?

Uri Avnery: Ich war Augenzeuge der Nazibewegung und damit sehr bewusster Beobachter dessen, was in Deutschland 1931 bis 33 passiert ist. Aber es gab auch schöne Zeiten auf Norderney, in Travemünde und natürlich in Hannover, der Stadt, in der ich aufgewachsen bin. Wir waren vier Kinder, ich war der Jüngste. Mein Vater war von Beruf Bankier. Er war beim Gericht in Hannover Treuhänder, Konkursverwalter. Meine Mutter war teilweise seine Sekretärin und hauptsächlich Hausfrau. Es war eine ziemlich gewöhnliche Familie.

War es für den zehnjährigen Helmut Ostermann, wie Sie damals hießen, ein traumatisches Erlebnis, aus seinem gewohnten Umfeld gerissen zu werden?

Ich habe in dem Moment aufgehört, Helmut zu sein, als ich in Jaffa landete. Der Umzug war alles andere als traumatisch, er war ein Abenteuer, der Beginn eines zweiten Lebens. Ich war vom ersten Augenblick an sehr eingenommen von der arabischen Kultur, und ja, wir waren so froh aus Deutschland herauszukommen. Es war eine Erlösung.

Gab es in Ihrer Familie Holocaustopfer?

Außer meinen Eltern, den Geschwistern und mir sind alle umgekommen.

Schon Ende der 50er Jahre sind Sie wieder nach Deutschland gereist. Hatten Sie nie Ressentiments?

Das deutsche Volk ist für mich ein Volk wie alle anderen. Ich kenne es nur etwas besser. Die deutsche Geschichte, Literatur und Kultur und natürlich die Sprache ist mir vertrauter als zum Beispiel die französische. Deutschland ist für mich bis heute nicht ganz Ausland.

Nach der Flucht haben Sie Ihren Namen geändert. Warum gerade Uri Avnery?

Mein älterer Bruder Werner ist im Weltkrieg gefallen, er war Soldat in der britischen Armee. Ich habe aus Werner Avner gemacht, daraus wurde Avnery, und Uri gefiel mir einfach.

Aber als Sie 1933 nach Israel kamen, lebte Ihr Bruder noch.

Ich habe meinen Namen einige Male gewechselt.

In Palästina schlossen Sie sich freiwillig der radikalen Untergrundorganisation Irgun an, die Anschläge gegen die britische Mandatsmacht und die Araber ausübte. Kritiker werfen Ihnen das bis heute vor. Ist das für Sie ein Grund zum Bedauern?

Überhaupt nicht. Zu der Zeit war es das Richtigste, was ich hatte tun können. Es war ein Krieg gegen die englische Kolonialmacht und schon damals, als Junge, mit 14, 15 – ist man da ein Junge?

Ja und nein.

Wie auch immer. Ich dachte, es wäre eine Pflicht, dafür zu kämpfen, dass das Land befreit wird.

Können Sie sich an Aktionen erinnern?

Ich war zu jung, um Bomben zu legen, aber ich habe Flugblätter verteilt und Untergrundzellen in allen möglichen Jugendbewegungen gegründet, war Kundschafter und so weiter. Was eben für Mitglieder in diesem Alter passte.

Und die Schule lief eher so nebenher?

Ich habe nie Abitur gemacht. Ich habe die 7. Volksschulklasse absolviert, damit hatte es sich. Wir waren furchtbar arm und konnten uns nicht leisten, dass ich nicht arbeite.

Sie sind also sieben Jahre zur Schule gegangen und anschließend gleich Herausgeber des Magazins „BeMaawak“, auf Deutsch „Im Kampf“, geworden. Wie kommt es, dass Sie schon als so junger Mensch eine derart klare Meinung hatten?

Wir waren eine sehr selbstständige Generation. Wir haben uns selbst erfunden, wir haben uns neue Namen gegeben, wir haben eine neue Kultur, eigene Weltanschauungen geschaffen. Wir waren damals 650.000 Menschen. Wir nannten uns nicht Juden, wir nannten uns Hebräer. Der Weltkrieg war für uns sehr gut. Wir hatten eine halbe Million britischer Soldaten hier und in Ägypten, die mussten versorgt werden, und das war für die Wirtschaft ein Segen. Bei Kriegsende waren wir voller Selbstbewusstsein als Gemeinschaft. Wir waren uns klar darüber, dass wir in der Lage waren, einen Staat zu haben. Damals waren die Leute viel optimistischer als heute, obwohl sich unsere Anzahl mehr als verzehnfacht hat. Wir denkten, dankten …

Dachten?

Dachten, ja! Mein Deutsch ist jetzt so eingerostet. Wir dachten an unsere Zukunft. Es gab viele Meinungen, aber es war klar, dass wir eine neue Nation sind, nicht mehr die alten Juden, nicht nur eine neue jüdische Gemeinde in der Welt, sondern eine Nation. Wir nannten sie die hebräische Nation. Unser Staat sollte ein hebräischer Staat sein.

Nicht jüdisch?

Wir wollten keinen Judenstaat. Im Sprachgebrauch damals – das kann man heute in alten Zeitungen nachlesen – war nie von einem jüdischen Staat die Rede. Für uns war jüdisch das, was im Ausland passierte, in der Diaspora. Was hier passierte, war hebräisch. Es gab eine hebräische Armee, eine hebräische Landwirtschaft, hebräische Arbeit und ein jüdisches Schtetl. Das war der ganz bewusste Sprachgebrauch. Ich habe das ideologisch weiterentwickelt. Diese neue Nation mit einer neuen Kultur war die natürliche Schwesternation derer, die hier im Land geboren waren, der arabischen Nation, mit der wir uns zusammentun mussten. Gemeinsam würden wir die Kolonialmächte vertreiben. Das war die zentrale Botschaft von BeMaawak.

Heute würde man das die Einstaatenlösung nennen. Glauben Sie noch immer daran?

Absolut nicht. Das war meine Vorstellung bis zum Israelischen Unabhängigkeitskrieg 1948. Meine Freunde und ich glaubten, dass wir die beiden Nationen auf der Basis der Liebe zum Land zusammenwachsen lassen könnten. Das war ziemlich naiv. Noch zwei Monate vor dem Krieg gab ich eine Broschüre namens „Krieg oder Frieden im semitischen Raum“ heraus, in der ich diese Idee ausführte.

Semitischer Raum?

Das ist ein Begriff, den ich erfunden habe. Ich habe immer abgelehnt, diese Gegend den Mittleren oder Nahen Osten zu nennen. Osten von wo? Von Berlin, Paris? Das ist ein rein imperialistischer, kolonialistischer Begriff, der Europa ins Zentrum der Welt stellt. Deshalb habe ich nach einer Alternative gesucht, die bei beiden Völkern, im Hebräischen und Arabischen, dasselbe bedeutet. Ein Begriff, der die beiden Seiten vereint und nicht trennt, wie jüdisch-arabisch oder so, deshalb „semitischer Raum“.

Hatten Sie auf arabischer Seite Partner dafür?

Wir übersetzten Teile der Broschüre auf Arabisch und verteilten sie in Jaffa, das war damals eine arabische Stadt. Aber es war viel zu spät, wenige Tage vor dem Krieg. Niemand wollte mehr etwas mit Frieden zu tun haben.

Sie selbst waren Soldat. Erst predigen Sie die Einstaatenlösung und suchen nach Partnern, und als der Krieg beginnt, melden Sie sich freiwillig in eine kämpfende Einheit. Ist das nicht ein Widerspruch?

Als der Krieg ausbrach, war klar, dass dies ein Krieg um die wahre Existenz unserer Gemeinschaft und unserer Familien ist, auf beiden Seiten, ähnlich wie später der bosnische Krieg. Die Parole war: Es gibt keine Alternative. Es war Pflicht eines jeden jungen Mannes, sich zu melden. Schimon Peres, der das nicht tat, hat ein Leben lang darunter gelitten.

Sie sind selbst schwer verletzt worden. Hat Sie der Krieg verändert?

Ich hatte im Krankenhaus viel Zeit zum Nachdenken. Meine Schlussfolgerung aus dem Krieg war erstens: Es gibt eine palästinensische Nation, was ja Jahrzehnte geleugnet wurde. Zweitens: Mit dieser Nation müssen wir Frieden machen. Drittens: Diese Nation braucht genauso ihren eigenen Staat, wie wir ihn brauchten. Das war im Grunde die Zweistaatenlösung, von der wir heute auch reden.

Ein Jahr nach dem Krieg kauften Sie die Wochenzeitung „HaOlam Haseh“, auf Deutsch „Diese Welt“ – und zum ersten Mal sah man Nacktfotos am Kiosk. Warum?

Warum nicht?

Wollten Sie damit den Verkauf antreiben oder die Religiösen provozieren?

Beides. HaOlam Haseh war ein sehr aggressives Wochenblatt, die einzige wirkliche Oppositionszeitung im Land. Sie war Stimme der jungen Generation, der Leute, die mit mir im Krieg waren. Unglaublich verhasst auf der einen Seite und sehr geliebt auf der anderen. Es gab kleine, aber doch markante Ähnlichkeiten mit dem Spiegel, dessen Gründer und erster Chefredakteur Rudolf Augstein in Hannover in dieselbe Klasse ging wie ich. Beide fochten wir einen Kampf mit unseren Regierungen aus, wurden dafür verhaftet und angegriffen. Israels erster Ministerpräsident David Ben Gurion hat uns furchtbar gehasst.

Niemand hört gern Kritik.

Und es ging nicht um die Kritik an einer bestimmten Politik, sondern wir standen auf ganzer Front gegen ihn, weil wir das Modell des Staates Israel, das Ben Gurion geschaffen hatte, ablehnten. Seine Politik gegenüber den Arabern, den Rassismus, seine Position gegen eine Trennung von Staat und Religion, die Behandlung der Einwanderer aus den orientalischen Ländern, die Sozialpolitik, alles. Es war ein sehr harter Kampf.

Den Sie später in der Knesset, dem israelischen Parlament, fortsetzten.

Unsere Parole war: In die Knesset oder ins Gefängnis. Ben Gurion guckte wie ein Känguru, als ich Abgeordneter war. Im Grunde habe ich in der Knesset dasselbe getan wie als Herausgeber: Ich blieb in totaler Opposition und vertrat dieselben Ideen, die ich in meinen Artikeln veröffentlichte. Ich hielt über tausend Reden in den zehn Jahren, ein Vielfaches aller anderen Abgeordneten.

„Mittlerer oder Naher Osten, diese Bezeichnung habe ich immer abgelehnt. Osten von wo? Von Berlin, Paris?“

1981 verabschiedeten Sie sich aus der Knesset, wenig später marschierten israelische Truppen in den Libanon ein. Wie war das, als Sie zum ersten Mal mit Jassir Arafat zusammentrafen?

Ich hatte schon lange vorher, direkt nach dem Jom-Kippur-Krieg 1973, Beziehungen zur Palästinensischen Befreiungsorganisation, der PLO, aufgenommen. Zuerst mit Said Hammami, dem damaligen PLO-Vertreter in London, und dann mit Issam Sartawi, Arafats Berater für Europa und Nordamerika. In Israel schloss sich damals eine Gruppe zusammen, die Kontakte aufbaute zu den Palästinensern. Matti Peled und Jona Eliav gehörten dazu. Dann kam 1982 der Krieg, den ich ziemlich verdammt habe, der aber keine Überraschung für mich war. Ariel Scharon, damals Verteidigungsminister, hatte in einem Interview Monate vorher schon über den Plan gesprochen, Arafat aus dem Libanon zu vertreiben. Zu Beginn des Krieges war ich einige Male im Libanon bei der Armee, dann bot sich die Gelegenheit, die Fronten zu überschreiten, und ich traf mich dann mit Arafat. Es war der Beginn einer wunderbaren Freundschaft. Ich habe immer geglaubt, dass man mit Arafat Frieden machen kann und soll.

Ihre Kritiker werfen Ihnen Einseitigkeit vor, wenn Sie über Arafat reden. Er hat immerhin den Terror vorangetrieben.

Natürlich hat er das. Ich war schließlich auch einmal Terrorist, Mitglied einer Organisation, die ziemlich üble Attentate gegen die arabische Bevölkerung verübte. Terror ist das Mittel der Schwachen. Der Unterschied zwischen Terroristen und Freiheitskämpfern ist: Die Freiheitskämpfer sind auf meiner Seite, Terroristen auf der anderen. Arafat hat alle Mittel angewandt, die ihm zur Verfügung standen. Das waren nicht viele. Aber er war der Mann, der Frieden machen konnte, bereit dazu war – und was noch viel wichtiger ist: Wenn er Frieden gemacht hätte, dann wäre dieser Frieden auch von seinem Volk, von seinem ganzen Volk akzeptiert worden.

Aber hat Arafat im Jahr 2000, als er auf dem Sommersitz der US-Präsidenten – Camp David – mit Israels damaligem Regierungschef Ehud Barak verhandelte, nicht eine ganz große Chance verpasst?

Die Vorschläge von Barak waren unannehmbar. Er war größenwahnsinnig und gleichzeitig sehr begrenzt in seiner Weltanschauung. Er kam an die Macht mit der Parole: Wir machen Frieden. Am Tag der Wahl kamen 100.000 Menschen ohne Einladung zum Rabin-Platz nach Tel Aviv, um mit ihm seinen Sieg zu feiern. Es war ein ungeheures Volksfest – die Befreiung von Israels heutigem Regierungschef Benjamin Netanjahu. Barak sagte: Ich biete den Palästinensern einen Staat an und sie werden so dankbar sein, dass sie alles annehmen. Er war total naiv. Er hatte noch nie mit einem Palästinenser gesprochen. Und so kam er nach Camp David. Arafat wollte nicht kommen.

Wie haben Sie die Verhandlungen erlebt?

Es war eine verrückte Veranstaltung, nichts war vorbereitet. Arafat wusste, dass die Amerikaner und die Israelis versuchen würden, ihn wie eine Nuss zu knacken. Der damalige US-Präsident Bill Clinton hatte versprochen, dass er, sollte die Konferenz ohne Ergebnis bleiben, keine der beiden Seiten verantwortlich machen würde. Clinton ist ein ziemlich ekliger Kerl. Genau das Gegenteil passierte anschließend. Clinton hat die Palästinenser allein schuldig gesprochen, um seiner Frau zu ermöglichen, Senatorin von New York zu werden. Barak fuhr nach Hause und hämmerte uns ein Mantra von fünf Sätzen ein: Ich habe jeden Stein umgedreht auf dem Weg zum Frieden. Ich habe die großzügigsten Vorschläge gemacht, die es jemals gab. Arafat hat alles abgelehnt. Sie wollen uns ins Meer werfen. Wir haben keinen Partner. Das ist tausendmal durch die Medien gelaufen. Mit diesem Mantra hat Barak die israelische Friedensbewegung zerschlagen. Und dieser Schuft, Bill Clinton, gab ihm Rückendeckung. Das ist die Geschichte von Camp David.

2004 starb Arafat. Glauben Sie, dass er ermordet worden ist?

Daran habe ich keinen Zweifel. Ariel Scharon wollte ihn immer umbringen. Es gibt heute Gifte, die nur nachzuweisen sind, wenn man weiß, wonach man sucht. Warten wir ab, ob die Wissenschaftler noch etwas entdecken.

Sie wurden vor wenigen Jahren mit dem Satz zitiert: Ich hoffe und glaube, dass ich den Frieden noch erlebe. Ist das so?

Das kommt darauf an, wie lange ich lebe. Mit 90 wird es langsam dringlich. Eigentlich stammt der Satz von Arafat. In seinem Fall hat sich das nicht bewährt.

Geben Sie US-Außenminister John Kerry mit seinen Vermittlungsbemühungen eine Chance?

Der arme Kerl. Die Regierung Israels denkt gar nicht daran, das Westjordanland aufzugeben. Denn das hieße, Großisrael und die Siedlungen aufzugeben. Das ist undenkbar.

Woher rührt dann Ihr Optimismus, dass es hier Frieden geben wird?

Ich habe in meinem nicht gerade kurzen Leben so viele Sachen erlebt, die nicht vorauszusehen waren. Wenn ich Vorträge halte in Deutschland, dann frage ich immer: Wer von Ihnen hat auch nur eine Woche vorher den Mauerfall erwartet? Oder auch, als mein Vater 1933 aus Deutschland floh. Er hat an alles Mögliche gedacht, aber sicher nicht an einen Holocaust. Auch wenn es heute aussieht, als steuerten wir auf einen Eisberg zu, kann es morgen ganz anders sein.

Susanne Knaul, 52, ist seit 1999 Nahost-Korrespondentin der taz. Einmal in der Woche bekommt sie Post von Uri Avnery. Oft liest sie die Texte nicht, weil sie denkt, sie weiß schon, was drinsteht. Wenn sie es doch tut, wird sie manchmal überrascht.

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