: Mehr Gewicht in Berlin
Die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein würden bei einer Fusion gewinnen, sagt der Kieler Hans H. Driftmann
1. Die Lage der öffentlichen Haushalte ist, von wenigen Ausnahmen abgesehen, desaströs. Gerade im Norden wird viel Doppel- und Mehrfacharbeit produziert, die wir uns auf Dauer nicht leisten können. Außerdem müssen wir im europäischen und im internationalen Wettbewerb zukunftsfähig bleiben. Metropolen müssen dabei identifiziert, ausgebaut und fit für die Zukunft aufgestellt werden. Es gibt dabei in Deutschland wohl kaum zwei Bundesländer, die sich so gut ergänzen wie Hamburg und Schleswig-Holstein. Was der eine nicht hat, hat der andere – und umgekehrt.
2. Natürlich hat ein Stadtstaat auch Vorteile. Durch die Kleinräumigkeit sind die handelnden Akteure bestens bekannt, es gibt eine gewachsene, auch gesellschaftspolitisch greifende Solidarität und auch ein Selbstbewusstsein, das gelegentlich als hanseatisch etikettiert wird.
3. Aufgrund kleinteiliger Strukturen und des verbundenen Aufwands ist die investive Kraft eines Stadtstaates begrenzt. Hohe Kosten bremsen notwendige Investitionen. Investitionen sind aber die Voraussetzung für Wachstum und Beschäftigung und damit für die Zukunftsfähigkeit einer Region.
4. Den Notwendigkeiten stehen oftmals Beharrungsvermögen von Besitzstandswahrern gegenüber. Welches Länderparlament, welche Landesregierung, welcher Senat, welche Behördenspitze rationalisiert sich schon gerne selbst weg?
5. Fusionen ihrer selbst wegen darf es nicht geben. Fusionen sind dann anzustreben, wenn sie Sinn machen, wenn sie Schlagkraft und Effizienz von Politik, Wirtschaft und Verwaltung erhöhen. Gewinner einer Länderfusion sind die fusionierten Länder selbst, da ihre Wahrnehmung im Konzert der Bundesländer steigt und ihr Gewicht in Berlin wächst. Verlierer sind natürlich haupt- und ehrenamtliche politische Würdenträger, aber auch der eine oder andere Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst. Personelle Anpassungen können dabei aber nicht im Hauruck-Verfahren erfolgen; vielmehr müssen sie maßvoll geplant werden.
6. Die Debatte um die Länderfusionen, die Debatte um den Nordstaat, ist natürlich gewachsen mit dem erheblichen Druck auf die öffentlichen Haushalte. Schleswig-Holstein ist quasi pleite, Hamburg steht kurz davor. Jetzt werden Notwendigkeiten erkannt, Doppelarbeit zu vermeiden, Kosten zu sparen, Gemeinsamkeiten zu pflegen –ein Prozess, der weiter an Fahrt gewinnen wird.
7. Was die Frage einer Fusion von Hamburg und Schleswig-Holstein anbetrifft, bin ich sehr zuversichtlich. Ich gehe davon aus, dass in dieser Legislaturperiode in beiden Ländern die Hausaufgaben des jeweiligen eigenen Landes bewältigt werden müssen. In der nächsten Legislaturperiode sollte ein Masterplan erarbeitet werden, der über eine Kooperation zur Fusion beider Länder führt. Realistisch erkenne ich ein Ziel von 2015 an. Im Übrigen ist die Fusion von Hamburg und Schleswig-Holstein nicht nur der ausdrückliche Wille der Wirtschaft, sondern auch einer absoluten Mehrheit in der Bevölkerung beider Länder, wie sich aus den Ergebnissen der von uns in Auftrag gegebenen Psephos-Umfrage von Januar 2005 deutlich machen lässt. Weitere Umfragen bestätigen zunehmend diesen Trend.
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