: Ratten sind dagegen immun
KEIME Zahlreiche Nagetiere haben Resistenzen gegen Antibiotika. Forscher sehen Gefahr für Menschen
ASTRID BETHE, FREIE UNIVERSITÄT
„Die seltsamen Ereignisse, die Gegenstand dieser Chronik sind, haben sich 194’ in Oran zugetragen. Nach allgemeiner Ansicht passten sie nicht dort hin, da sie etwas aus dem Rahmen des Gewöhnlichen fielen.“ Immerhin: Was in Albert Camus’ Roman „Die Pest“ der Beginn einer tragischen Epidemie ist, trifft auf den Krankheitserreger, den Forscher bei Berliner Ratten entdeckt haben, nicht zu. Im Gegensatz zu Camus’ Fiktion gibt es hier laut dem Wildtierbeauftragten des Senats nur einige tausend Ratten – etwa jede sechste ist den Wissenschaftlern zufolge aber Überträger eines antibiotikaresistenten Keims.
„Vor allem in der Nähe von Krankenhäusern hatten wir resistente Erreger bei den Tieren gefunden“, sagt Astrid Bethe, Wissenschaftliche Mitarbeiterin vom Institut für Mikrobiologie und Tierseuchen an der Freien Universität. Das Institut hatte zusammen mit Schädlingsbekämpfern Kotproben von Ratten untersucht. Dabei stellten sie Darmbakterien fest, die resistent gegen Antibiotika sind. „Ich würde das Ergebnis nicht unter den Tisch kehren“, so Bethe auf die Frage, ob das Resultat auch für den Menschen bedenklich sei.
„In Berlin gibt es ganz sicher mehrere tausend Ratten“, sagt Derk Ehlert, Wildtierbeauftragter des Senats. Da es sich bei den Nagern jedoch ausschließlich um Wanderratten handelt, könne er deren genaue Zahl nicht einschätzen. Spekulationen, dass es in Berlin auf jeden Bürger zwei Ratten gebe, hält Ehlert jedenfalls für überzogen. Der Wildtierbeauftragte hält das Ergebnis der Wissenschaftler für wenig überraschend: „Wanderratten sind extrem anpassungsfähige Tiere.“
Deshalb gehen die Forscher der FU auch davon aus, dass die Nager den Erreger vom Menschen übernommen haben: über Krankenhausabwasser und Lebensmittelreste. Jetzt bestehe die Gefahr, dass die Tiere die Bakterien wieder an Menschen zurückübertragen. Doch dazu sei es bisher noch nicht gekommen, heißt es im Institut.
Die Berliner Wanderratten leben hauptsächlich in der Kanalisation. Dort seien sie vermutlich in Berührung mit dem Erreger gekommen. „Ratten zeigen uns, dass wir die Natur nicht aus unserem modernen Alltag ausschließen können“, sagt der Wildtierbeauftragte Ehlert. CEM GÜLER
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