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Finanzen: Berlin hält die Luft an

Ernüchterung am Tag nach der Verhandlung über die Berliner Haushaltsklage: Die Stadt dürfte deutlich weniger Geld kriegen als erhofft. Und das wahrscheinlich auch nur mit strengen Auflagen

von RICHARD ROTHER

Gehört haben es die Berliner schon oft, aber jetzt droht es bittere Realität zu werden: Die Hauptstadt muss wohl ihren Gürtel enger schnallen. Einen Tag nach der mündlichen Verhandlung des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe über die Klage auf Entschuldungshilfen rechnet jedenfalls die Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus mit einem finanziellen Rückschlag für die Stadt. Das Land werde vermutlich Zuschüsse bekommen, „aber deutlich weniger, als viele es sich erhofft hatten“, so der Grünen-Finanzexperte Jochen Esser. Diesen Eindruck habe er nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung gewonnen. Zuletzt hatte sich Berlin, derzeit mit rund 60 Milliarden Euro verschuldet, bis zu 30 Milliarden Euro für den Schuldenabbau gewünscht. Zahlen müssten der Bund und die anderen Länder. Die lehnen dies jedoch ab.

Sollte Berlin wirklich Hilfen bekommen – und jede dieser Hilfen wäre besser als nichts –, müsste sich die Stadt wohl auf gravierende Auflagen einlassen. Das Gericht werde wahrscheinlich sehr hohe Eigenleistungen von der Hauptstadt fordern, so Esser. Denkbar seien weitere Sparmaßnahmen, der Verkauf von Landesvermögen oder die Erwirtschaftung eines Primärüberschusses, also ein Plus ohne Einbeziehung der Zinsausgaben. Die Senatsvertreter hätten keine „bella figura“ gemacht, als es um die Eigenanstrengungen der Stadt gegangen sei. Der Senat dürfe diese Aufgabe nicht dem Gericht zuschieben, sondern müsse selbst Vorschläge machen. „Dazu gehört ein Sanierungsprogramm, das über das Jahr 2007 hinausreicht“, sagte Esser.

Grünen-Fraktionschef Volker Ratzmann betonte, er habe nicht den Eindruck, dass es in Karlsruhe einen grundsätzlichen Dämpfer für Berlin gegeben habe. Das Gericht erkenne die besondere Situation Berlins an. Trotzdem werde es weniger Hilfen als erwartet geben. Auch nach einem positiven Urteil werde Berlin noch lange mit dem Bund und den anderen Ländern verhandeln müssen.

Der FDP-Fraktionsvorsitzende Martin Lindner sprach mit Blick auf den Prozess von einer „gemischten Veranstaltung“, die er erlebt habe. Die Verfassungsrichter seien sicher keine Feinde Berlins. Aber die schlechte Finanzlage des Bundes und der Länder relativiere die Berliner Ansprüche. Das würde wohl zu einer „Anspruchsminderung“ und zu „Auflagen wie dem weiteren Verkauf von Landesvermögen“ führen.

Kritik äußerte Friedbert Pflüger, Spitzenkandidat der Berliner CDU, die als einzige Abgeordnetenhausfraktion keinen Parlamentarier nach Karlsruhe entsandt hatte. In Karlsruhe sei es für Berlin „nicht allzu gut gelaufen“, befand Pflüger. Die Bereitschaft des Gerichts sei wohl nicht sehr groß, die Ansprüche anzunehmen. Obwohl es sich um eine „nationale Aufgabe“ handele, sei es Wowereit „nicht gelungen, das Anliegen klar zu machen“.

Finanzielles Ungemach in Milliardenhöhe droht Berlin unterdessen auch in einem weiteren Gerichtsverfahren. Am 11. Mai will das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig sein Urteil über den Berliner Ausstieg aus der so genannten Anschlussförderung im sozialen Wohnungsbau verkünden. Das teilte das Gericht gestern nach der mündlichen Verhandlung über die Klage eines Wohnungsunternehmens mit. Die Firma verlangt mehr als 2,8 Millionen Euro Fördermittel für ein Wohnhaus in Neukölln. Das gestern verhandelte Verfahren ist das erste von drei Musterprozessen. Gegen den Stopp der Anschlussförderung hatten mehr als 100 Wohnungsunternehmen geklagt. Sollte Berlin verlieren, drohen Zusatzausgaben von knapp 2,5 Milliarden Euro bis zum Jahr 2029.

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