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Offensive gegen Ägyptens Opposition

Nach den Anschlägen im Badeort Dahab nutzt das Regime die Gunst der Stunde: Das umstrittene Notstandsgesetz wird um zwei Jahre verlängert. Oppositionelle werden ins Gefängnis gesteckt. Polizisten erschießen vier mutmaßliche Attentäter

Von den versprochenen Reformen bemerkt man nichts

AUS KAIRO KARIM EL-GAWHARY

„Man hat das Gefühl, Ägypten ist schwanger, und es liegt an jedem selbst, sich vorzustellen, welches Baby nach einem Vierteljahrhundert der Herrschaft von Präsident Hosni Mubarak geboren wird.“ Das düstere Editorial der unabhängigen ägyptischen Tageszeitung Al-Masri al-Youm gibt die im Land am Nil vorherrschende Mubarak-Endzeitstimmung wieder. Am Donnerstag wird der erst im vergangenen September für weitere sechs Amtsjahre gewählte Präsident 78 Jahre alt. Statt der versprochenen politischen Reformen holte das Regime in den letzten Tagen zum repressiven Rundumschlag aus.

Zum Entsetzen der Opposition und lokaler Menschenrechtsgruppen wurde am Wochenende das seit 1981 geltende Notstandsgesetz um weitere zwei Jahre verlängert. Als Argument werden die Bombenanschläge im Touristenort Dahab am Roten Meer vorgebracht, die vergangene Woche 21 Menschen das Leben gekostet haben. Doch statt die Täter mit allen Mitteln ausfindig zu machen, konzentrierte sich der Sicherheitsapparat in einer Art Panikreaktion auf die friedliche Opposition. Die Vertreter der Kifaya-Bewegung, auf Deutsch „Es-reicht-Bewegung“ in Anspielung auf die lange Amtszeit Mubaraks, hatten sich am Donnerstag im Zentrum der ägyptischen Hauptstadt Kairo versammelt, um zwei Richter des obersten Berufungsgerichts zu unterstützen, denen selbst der Prozess gemacht wird.

Das ihnen zur Last gelegte Verbrechen: Sie hatten die Regierung beim Wort genommen und, wie von dieser beauftragt, als Mitglieder einer unabhängigen Justiz die Präsidentschaftswahlen überwacht. Dabei hatten sie einigen ihrer regierungsfreundlichen Richterkollegen offen vorgeworfen, sich an dem damaligen massiven Wahlbetrug beteiligt zu haben. Nun droht den beiden mutigen Richtern der Verlust ihres ehrenwerten Arbeitsplatzes. Mehr als 50 Kifaya-Aktivisten, die sich mit den Richtern solidarisiert hatten, wurden bei einem Sitzstreik vor dem Gericht verhaftet, fast 40 von ihnen befinden sich weiter ohne offizielle Anklage in 15-tägiger Verwaltungshaft. Inoffiziell werden sie der regimefeindlichen Propaganda und der Beleidigung des Präsidenten bezichtigt.

Dies ist beileibe nicht der einzige bizarre Fall, der die Versprechen der Regierung zur politischen Reform zum Hohn verkommen lässt. In den vergangenen Tagen wurden mindestens 35 Vertreter der islamistischen Muslimbruderschaft verhaftet, als sie Plakate gegen die Verlängerung des Notstandsgesetzes klebten. Auch die Medien bekamen den langen Arm der Regierung zu spüren. Der Kairoer Bürochef des arabischen Fernsehsenders al-Dschasira wurde in Dahab festgenommen. Ihm wird die „Verbreitung falscher Nachrichten, die zum Chaos führten“, vorgeworfen. Hussein Abdel Ghani ist inzwischen wieder auf Kaution freigelassen worden.

Das gilt nicht für Ayman Nour, den Gegenkandidaten Mubaraks bei den Präsidentschaftswahlen im September. Der damals mit 7,5 Prozent der Stimmen stärkste Konkurrent des Amtsinhabers (88 Prozent) wurde bereits am 24. Dezember wegen einer angeblichen Fälschung von Dokumenten zu fünf Jahren Haft verurteilt, um ihn, wie er selbst aus dem Gefängnis heraus sagt, vom politischen Leben auszuschließen.

So schnell wird ohnehin nicht wieder gewählt. Mubarak hatte im Februar die geplanten Kommunalwahlen mit einem Federstrich um zwei Jahre verschoben. Das Regime hat es offensichtlich nach dem starken Ergebnis der Muslimbrüder bei den Parlamentswahlen Ende vergangenen Jahres mit der Angst bekommen. Immerhin besetzen die Islamisten jetzt jeden fünften Abgeordnetenplatz.

Hinzu kommt die Gefahr zunehmender interkonfessioneller Auseinandersetzungen zwischen Muslimen und christlichen Kopten. In der Mittelmeerhafenstadt Alexandria war es im April zu Zusammenstößen gekommen, nachdem ein Muslim in drei Kirchen eingedrungen war mehrere Kopten niedergestochen hatte. Die Auseinandersetzungen forderten zwei Tote.

Und dann wartet das Land auch noch auf die Untersuchungsergebnisse im Fall der Terroranschläge von Dahab, die dem Tourismus erneut Schaden zugefügt haben. Immerhin hängt jeder zehnte ägyptische Arbeitsplatz direkt oder indirekt vom Tourismus ab. Doch die bisherigen Ermittlungsergebnisse sind äußerst vage. Die Attentate auf der Sinaihalbinsel – vergangene Woche in Dahab, im Juli 2005 in Scharm al-Scheich und im Oktober 2004 in Taba – sollen von ein und derselben Gruppe durchgeführt worden sein. So heißt es im Innenministerium. Offensichtlich geht man in Dahab von Selbstmordattentätern aus und vergleicht derzeit die DNA-Informationen und Fingerabdrücke mit den Spuren der beiden früheren Anschläge.

Für die Attentate wird eine lokale beduinische Terrorgruppe mit islamistischem Hintergrund verantwortlich gemacht. Genaue Einzelheiten werden nicht genannt. Vier angeblich Verdächtige wurden inzwischen im Nordsinai erschossen, darunter Nasr al-Melahi, der laut Polizeiangaben bei einem Schusswechsel am Sonntag getötet wurde. Angeblich soll es sich um den Chefplaner der Anschläge von Dahab handeln. Er soll auch an dem Attentat in Taba beteiligt gewesen sein soll.

Ist der Fall damit abgeschlossen? Auch nach dem Anschlag von Taba war Suliman Felefel, ein Beduine, als einer der angeblich Hauptverdächtigen erschossen worden. Doch Menschenrechtler wie Gasser Abdel Rasek in Kairo blieben skeptisch. Seiner Meinung nach hätte der Fall Felefel, den das Innenministerium schließlich der Öffentlichkeit präsentierte, „niemals einem freien und fairen Prozess standgehalten“.

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