LUKAS WALLRAFF ZUR EU-FLÜCHTLINGSPROBLEMATIK: Gegen die rechte Konkurrenz
Die Tür bleibt zu. Angesichts der Tragödien an Europas Grenzen ist es bedauerlich, dass die deutsche Regierung an ihrer Abwehrhaltung festhält und Fortschritte in der EU-Flüchtlingspolitik verhindert. Rein innenpolitisch betrachtet ist es aber nachvollziehbar, wenn die amtierende Regierung auf dem EU-Gipfel passiv bleiben und den Status quo bewahren möchte. Denn so bitter das für die akut bedrohten Flüchtlinge auch ist, das ist der Job von Übergangsregierungen: erst einmal nichts zu tun.
Nun könnte man einwenden, dass Notsituationen Notmaßnahmen nötig machen. In konkreten Fällen stimmt das selbstverständlich, aber nicht bei grundsätzlichen Richtungswechseln. Machen wir uns nichts vor: Auch die Flüchtlingspolitik ist Gegenstand der Koalitionsverhandlungen in Berlin, die gerade erst beginnen. Die spannende Frage ist: Gelingt es der SPD, eine humanere, offenere Flüchtlingspolitik durchzusetzen – und will sie das überhaupt? Auch sie hat Angst vor Konkurrenz von rechts.
Nötig wäre eine Verbesserung der Lebensbedingungen für Flüchtlinge, die bereits in Deutschland sind – also bei Arbeitsverbot und Residenzpflicht. Und eine Grundsatzentscheidung für künftige Flüchtlinge – also die Aufhebung der Regel, wonach nur der Staat für die Aufnahme von Flüchtlingen zuständig ist, in dem die Flüchtlinge ankommen. Diese Regelung benachteiligt und überfordert die südlichen EU-Länder dermaßen, dass sich die reicheren Nordländer nicht mehr lange drücken können.
Aber eine solche Entscheidung erfordert Mut – und den wird die übergangsregierende Union allein nicht aufbringen. Dafür bräuchte es einen Anschub durch die SPD, gemeinsame Verantwortung – und eine Einsicht: Gegen die rechte Konkurrenz in ganz Europa hilft am ehesten eine gerechtere Flüchtlingspolitik in ganz Europa.
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