: Im Kreuzfeuer
Überdurchschnittlich lustig, aber auch furchtbar peinlich: Der MTV-Themenabend „Popetown“ war Höhepunkt einer total überhitzten Debatte
von STEFFEN GRIMBERG
Die Erde ist eine flache Scheibe, um die sich eine völlig unbedeutende Sonne dreht. Deswegen sendete der Musiksender MTV am Mittwoch vor der zunächst mal einzigen Folge des Vatikan-Klamauks „Popetown“ folgenden Hinweis: „Die folgende Comedy ‚Popetown‘ ist ein satirisches Entertainmentformat. MTV weist die Zuschauer darauf hin, dass sie die Anspielungen auf christliche Themen eventuell als anstößig empfinden könnten.“ Deswegen umrahmte eine Live-Diskussion das Zeichentrick-Spektakel – sie war mehr als doppelt so lang wie „Popetown“ selbst.
Was für ein absurder Aufwand für ein 28-Minuten-Machwerk! Geschuldet ist er dem von ihr selbst gefühlten Aufwind der katholischen Kirche sowie der MTV-Konzernmutter Viacom, die in den USA routiniert-vorsichtig auf die Angriffe organisiert-religiöser Eiferer reagiert.
„Popetown“, das sei hier nur am Rande angemerkt, ist übrigens nicht die Neuerfindung von Zeichentrick-Comedy als solcher. Aber immerhin überdurchschnittlich lustig. Von der zuständigen Freiwilligen Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) hat „Popetown“ übrigens längst den Unbedenklichkeitsstempel bekommen: „Keiner kommt auf die Idee, das sei wirklich Kirchenkritik“, sagte FSF-Chef Joachim von Gottberg in der Diskussion.
Deren Tenor war insgesamt unglaublich verständnisvoll-lasch – zugunsten der „Popetown“-Betroffenen-Front. Und das, obwohl die Hardliner – von CSU-Generalsekretär Markus Söder, der Gotteslästerung wieder härter gestraft sehen will, bis zum Erzbischof von München-Freising, der versuchte, die Serie noch am Mittwochnachmittag gerichtlich verbieten zu lassen – gekniffen hatten. Natürlich nur aus Termingründen. Also saßen da ein Berufsjugendlicher vom Bund der Katholischen Jugend Deutschlands („Es werden Grenzen überschritten, die ein gutes Miteinander letztlich nicht mehr ermöglichen“), Smudo von den Fantastischen Vier („Kunst darf das“) und noch ein paar Männer mehr. Selbst FSF-Chef Gottberg würde „persönlich“ die Serie natürlich nicht verbieten, aber auch nicht ausstrahlen.
Frau fehlte in dem Rund übrigens, was bei einer aus dem Bauch katholischer Befindlichkeiten geborenen Sendung nicht ernstlich wundern konnte.
Weiterer Anlass zur Ernüchterung bot eine laut MTV repräsentative Umfrage unter Bundesbürgern. Sie ermittelte auf die Frage „Darf der Papst Gegenstand einer Satire sein?“ nur ganze 34 Prozent Jastimmen, 32 Prozent negative Voten und ebenfalls 34 Prozent Unentschlossenheit. – Prompt lautete die entscheidende Frage nach Ausstrahlung der ersten Folge: „Darf der Papst das Kreuz als Springstock verwenden?“ (Das tut er nämlich im Film.)
Hirnrissiger war nur der versuchte Anschluss an die Debatte um die Mohammed-Karikaturen. Jungliberalen-Chef Johannes Vogel pochte allen Ernstes deshalb auf Ausstrahlung, „weil die Muslime sonst sagen, bei Mohammed passiert nichts, aber wenn es um das Christentum geht, wird sofort reagiert“.
MTV will jetzt pro forma erst mal nachdenken, ob die weiteren neun „Popetown“-Folgen gezeigt werden. Bei allen Abgründen, die sich in dieser völlig überzogenen Debatte über ein Zeichentrickfilmchen auftun: Als Werbekampagne ist sie unbezahlbar. Und wird weitergehen: Am Mittwoch hatte mit Bundestags-Fraktionsvize Fritz Rudolf Körper erstmals auch ein hochrangiger SPD-Politiker gefordert, die Ausstrahlung von „Popetown“ nochmals zu überdenken. Die Grüne Grietje Bettin dagegen erklärte „Popetown“ für „legal“, da „eine so abgedrehte und überzogene Satire als Kirchenkritik kaum durchgehen“ könne. Hierin zeigt sich die weitere Absurdität der Debatte: Solange es bei dummer Satire bleibt, soll sich die Kirche also nicht so anstellen. Bei kirchenkritischen Sendungen oder Beiträgen sieht das anscheinend schon wieder anders aus.
„An die Stelle der Religion muss die Überzeugung treten“, schrieb Lessing vor mehr als 200 Jahren. Langsam wird’s Zeit.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen