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„I wons was looost, baaatt now am faaaund …

ERÖFFNUNG Der „Abend der Begegnung“ in Münchens Innenstadt wurde zu einem wankelmütigen Suchen nach frohem Sinn

Auf dem Max-Joseph-Platz soll nicht flaniert, sondern getanzt werden. So mit Ansage.

VON P. GESSLER, E. SMECHOWSKI, M. STOKOWSKI, M. KAUL, K. SCHÄDLER UND J. FEDDERSEN

Es ist ja keine leichte Aufgabe, ein Massenspektakel zu eröffnen, das einerseits auf einem Messegelände abseits der Stadt gegeben wird, andererseits aber eine Stadt wie München erleuchten soll – und das obendrein noch ökumenisch, also evangelisch wie katholisch in einem. München hat die allerbeste Lösung gewählt: Die Innenstadt wurde einfach für den Autoverkehr gesperrt. Und so war dieser „Abend der Begegnung“ tatsächlich, wenngleich meteorologisch heftig ungemütlich, ein volksfrömmelndes Stadtfest.

Allüberall hatten Gemeinden Bayerns ihre Stände aufgebaut; wer nicht aus Bayern kam, wusste nicht zu unterscheiden, ob da nun Katholen oder Evangelen Schmalzbrote parat hielten, Saure Zipfel, Apfelschorle oder Holunderbrause. Es gab ja Streit zwischen beiden Konfessionen in der Vorbereitung dieses Abends. Während die Reformierten strikt auf Alkoholverbot pochten, winkten die Römischen empört ab: Was soll gegen ein Bier, einen Wein, einen G’spritzn zu haben sein? Da prallten sie denn aufeinander, beide Glaubensversionen, wenngleich nicht in puncto Abendmahl, sondern schon beim Trivialen, bei den Getränken der Geselligkeit.

Liebhalten ist schön

Einig war man sich immerhin, dass die Gottesdienste recht eigentlich nicht mehr volkstümlich genug sind. So fand der Eröffnungsgottesdienst auf dem Marienplatz in „Leichter Sprache“ statt. Menschen mit Lernschwierigkeiten, geistiger Behinderung oder Hörschwäche sollen dadurch besonders angesprochen werden. In der Predigt erzählt der Theologieprofessor Günter Ruddat von seinen Erlebnissen mit Kindern und Jugendlichen mit Behinderung. Wie rührend sie sind, wenn sie andere umarmen und sich freuen. „Liebhalten ist schön“, zitiert er ein Mädchen mit geistiger Behinderung.

Einer der Höhepunkte im Eröffnungsgottesdienst ist das Lied „Amazing Grace“. Wer bis jetzt noch nicht mitgesungen hat, ist spätestens jetzt im Stoff. Bewegte Gesichter, selige Blicke, inbrünstiger Gesang. „I wons was looooost, baaaaatt now am faaaaaaund …“ Das Publikum will ergriffen werden – und freut sich nun.

Konfi chillt mit Kindern

Kirchentag ist stets ein Ereignis für Menschen im Ruhestand –aber doch in erster Linie ein Treffpunkt sehr junger Menschen. Beispielsweise Robin. Er ist 15, „fast 16“. Und „dieses Wochenende ist cool“. Er sitzt auf der opulenten Vortreppe der Bayerischen Staatsoper am Max-Joseph-Platz. Da drüben verkauft die Caritas fade Speckknödelsuppe plus Blasmusik. Hier sitzt Robin sonnenbebrillt und mischt Getränke. Mit ihm sind seine „Konfi-Kollegen“ aus Darmstadt da. Sie sind mit dem Sonderzug gekommen, „mit viel Verlust an Bier“. „Die andern sind erst 14“, sagt Robin. „Aber ich chille auch mit Kindern.“

Es ist das Alter, in dem man extra etwas lauter spricht. „Der Riesengottesdienst war richtig nice.“ In seinem Rucksack klimpert es nach vollen Flaschen. Robin und seine Konfi-Kollegen ziehen lässig eine nach der anderen hinaus und füllen sie dann um. Sie haben christliche Aluflaschen geschenkt bekommen. „Missio. Glauben. Leben. Geben.“ steht darauf. Robin füllt die Mixgetränke um, sagt er und beteuert: „Jetzt wird gesoffen.“

Kirchentag ist ja auch immer ein Aufprall der Kulturen. Auf dem Max-Joseph-Platz soll nicht flaniert, sondern getanzt werden. So mit Ansage. „Ausanand und wieder zsam im Wechselschritt“, ruft der Klarinettist ins Publikum. Die ersten wiegen sich im Takt, manch einer greift beherzt zur Nachbarin oder zum Nachbarn, und schon geht’s ab auf dem Vorplatz der Bühne, immer schön im zünftigen Schunkelbeat. Begegnung mal körperlich, sozusagen.

Von Hans angeschmachtet

Wer sich noch nicht recht regen mag, wird vom Hans angeschmachtet. Er setzt seine Trompete ab, seine Lippen sind ganz rot vom Blasen, er singt: „I will dir ’n Busserl geben, i hab di gern!“ Jo mei. Da tanzt dann auch die gut betuchte Perlenketten-Münchnerin, ihre Longchamp-Tasche unter den Arm geklemmt.

Der „Niederbayerische Musikantenstammtisch“, der heute zum Tanz aufspielt, hat sich übrigens aus einem ganz profanen Grund heraus gegründet: In den Augustiner Bräustuben haben sie angefangen zu spielen, da gab’s dann Bier und Essen umsonst. „Wir sind alle katholisch“, sagt Hans. „Aber ich bete nur, wenn es nötig ist.“

Es ist 22.29 Uhr, als Hunderttausende von Menschen in Münchens Zentrum gemeinsam das Vaterunser beten. Sie halten lange, schlanke Kerzen in der Hand. Danach kehrt Stille ein, die Stimmung wird ein bisschen gespenstisch, für manche rührend. Auf der Bühne am Marienplatz steht zu dieser Zeit Münchens Katholikenbischof Reinhold Marx und spricht eine ausgesprochen unantörnende Ansprache.

Die Menge verliert sich im Untergrund

Neben ihm steht ein Bläserensemble. Sie alle sind weitgehend dunkel gekleidet. Hätten sie noch Kapuzen auf, spitz nach oben zulaufend, erinnerten sie wohl an eine Delegation des Ku-Klux-Clans.

Der Bischof spricht etwas von herzlichem Willkommen: ein wuchtiger Mann, den man mit keinem Funkenmariechen verwechseln könnte. Die Menge verliert sich darob in die Untergründe der öffentlichen Nahverkehrsmittel. Der Kirchentag hat begonnen, es nieselt, es ist nass. Ach, wär es bloß weniger dräuend und gut gemeint gewesen.

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