: Ölreserven im Internet
Auch der Multi Chevron kümmert sich öffentlich um die Endlichkeit der Ölreserven. Diese Debatte aus ungewöhnlicher Ecke hinterlässt jedoch letztlich Ratlosigkeit
Im Internet hat der amerikanische Ölkonzern Chevron eine Plattform eingerichtet, auf der über die Zukunft der Weltenergieversorgung diskutiert werden kann. Denn Chevron ist überzeugt: Die Ära des leicht erschließbaren Öls ist vorbei.
Die Aufmachung der Seite hat etwas Dramatisches: Sobald die Homepage geöffnet wird, erscheint dort ein Zähler, der in atemberaubendem Tempo zu laufen beginnt. Er summiert eine Energiemenge: Jede Sekunde kommen 1.480 Barrel hinzu. Das ist der aktuelle Weltenergieverbrauch an Öl und Gas zusammen. 84 Millionen Barrel Öl und 44 Millionen Barrel Gas pro Tag ergeben den genannten Sekundenbetrag. Wer einige Minuten auf den Seiten verharrt, hat bald eine Million Barrel Energieverbrauch überdauert.
Im Forum treffen dann die unterschiedlichsten Sichtweisen aufeinander. Während ein Teilnehmer auf strengere Auflagen bei der Energieeffizienz von Häusern drängt, sorgt sich ein anderer nur um den Ölpreis und fordert die Konzerne dazu auf, die Energie billiger abzugeben – was das Problem der begrenzten Reserven schwerlich lösen dürfte. Zumal Chevron selbst auf seinen Seiten vermerkt, dass in 33 der 48 größten Ölförderländer die Mengen an Rohöl, die aus der Erde gepumpt werden, bereits zurückgehen.
Was einen Ölkonzern nun dazu bewegt, eine solche Kampagne zu starten, war von Chevron auf Anfrage leider nicht zu erfahren. Auch gibt natürlich der Internet-Auftritt über die wirklichen Beweggründe des Ölmultis keine hinreichende Auskunft. Stattdessen präsentiert der Konzern einen (allseits bekannten) Strauß an wirklichen oder vermeintlichen Lösungen des künftigen Energieproblems: vom Erdgas bis zum Hybridfahrzeuge, von erneuerbaren Energien bis zur Atomkraft.
So erfährt man dann zwar, dass die Nutzung von Solarenergie weltweit mächtig expandiert und bereits 65 Länder der Erde die Windkraft nutzen, doch ambitionierte Visionen sucht man vergeblich. Auch ist nachzulesen, dass Öl, Gas und Kohle in den kommenden Jahrzehnten „eine signifikante Energiequelle“ bleiben werden. Gleichwohl sei jede Form der Energienutzung zu entwickeln, sowie die Energieeffizienz zu fördern – alles reichlich allgemeine Aussagen.
Mit weiteren Themen, etwa Treibhauseffekt, saurem Regen, Luft- und Wasserverschmutzung sowie dem Erhalt der Artenvielfalt rundet Chevron dann das Thema Umweltschutz ab – ohne freilich auch nur ansatzweise eine Analyse der Probleme vorzunehmen. Eine Darstellung der Potenziale der erneuerbaren Energien zum Beispiel hätte dieser Seite zu erheblich mehr Glaubwürdigkeit verholfen.
So bringt sich mit dieser Kampagne ein Ölkonzern auf ungewöhnliche Weise ins Gespräch, präsentiert sich vordergründig als offen für die Herausforderungen der Zukunft – und hinterlässt am Ende doch nur Ratlosigkeit, weil alles im Ungefähren bleibt. Am Ende wünscht sich Chevron dann allenfalls noch eine stabile Politik mit verlässlichen Rahmenbedingungen, was niemanden überrascht. Übrigens: Während der Lektüre dieses Beitrags wäre der Ölzähler auf der Chevron-Homepage um weitere 200.000 Barrel vorgerückt. BERNWARD JANZING
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen