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Wulffen, die nächste

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Es wird das nächste Spektakel um Ex-Bundespräsident und Niedersachsens Ex-Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) werden. Am Donnerstag beginnt vor dem Landgericht Hannover der Korruptionsprozess gegen Wulff. 22 Verhandlungstage sind angesetzt, 46 Zeugen sollen geladen werden, darunter vermutlich Wulffs Noch-Frau Bettina und eine Schauspielerin und Tatort-Kommissarin. Ein einmaliger Vorgang: Erstmals wird sich ein ehemaliger Bundespräsident vor Gericht verantworten müssen.

Eingebrockt hat sich Wulff das mit einem Oktoberfest-Besuch 2008. Der befreundete Filmunternehmer David Groenewold soll ihm und seiner Frau einen Teil der Hotelkosten, den Babysitter für den Sohn sowie Essen und Trinken im Feinkost-Festzelt gezahlt haben. Kostenpunkt: gut 700 Euro. Tags darauf bat Groenewold den damaligen Ministerpräsidenten um Unterstützung für ein Filmprojekt – Wulff setzte sich später wie gewünscht bei Siemens für das Projekt seines Freundes ein.

Während die Staatsanwaltschaft im Frühjahr Anklage wegen Bestechung und Bestechlichkeit erhoben hat, stutze das Gericht die Vorwürfe auf Vorteilsannahme zurück. Monatelang hatten die Staatsanwälte gegen Wulff ermittelt, stets ging es um Vergünstigungen für den Politiker: vom privaten Hauskredit über kostenlose Upgrades für Flüge bis hin zu Gratis-Urlauben bei Freunden aus der Finanz- und Versicherungsbranche, darunter Carsten Maschmeyer, Hannoveraner und Gründer des umstrittenen Finanzdienstleisters AWD.

Zur Anklage kam es schlussendlich wegen des München-Trips des Präsidentenpaars. Wulff selbst hatte das Angebot der Staatsanwälte, das Verfahren gegen 20.000 Euro Geldauflage einzustellen, abgelehnt. Und wird vor Gericht nun Einblicke in die Details seiner Abendvergnügungen geben müssen – etwa zur Frage, wer auf dem Oktoberfest wann was verspeiste.  THA

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