Verfassungswidrige Rasterfahndung: Gelöscht hinter Gittern
Wie Millionen kleiner Fliegen kleben in Nordrhein-Westfalen bereits Datensätze im Fahndungs-Netz. Nun sollen sie nach dem Willen der Karlsruher Rotroben wieder abgekratzt werden. Denkste. Wer glaubt als Erwachsener noch an Märchen? Nicht einmal das Bundesverfassungsgericht. Das wollte in seinem Beschluss nicht ausschließen, dass die damals gespeicherten und mittlerweile gelöschten Daten ihre „Reise in die Dateien des Bundeskriminalamtes (BKA), der Landeskriminalämter (LKA) oder ausländischer Behörden“ angetreten haben. Ein toller Trick. Vor dem Löschen persönlicher Daten kann der Staatsbeamte die flugs auf andere Festplatten weiterspeichern und dann hoch, heilig und halbwahrheitsgemäß erklären: Alles wurde gelöscht. Die Kehrseite des Tricks muss er ja niemandem verraten.
KOMMENTAR VONPETER ORTMANN
Die systematische, digitale Erfassung aller Bürger durch den Staat wird weitergehen. Weil sie so einfach gemacht wird. Wie heißt es so schön im Terrorismusbekämpfungsgesetz Paragraf Acht: „Schutzwürdige Interessen des Betroffenen dürfen nur in unvermeidbarem Umfang beeinträchtigt werden.“ Eigentlich müsste es „mit unvermeidbarem Unfug“ heißen, denn wer entscheidet eigentlich, was unvermeidbar ist? Gott, wenn er die Fußball-Weltmeisterschaft auf den Dienstplan setzt, oder leitende Beamte, die eigentlich alles für unvermeidbar halten? Die verfassungswidrige Rasterfahndung hat in NRW nichts gebracht, außer 5,2 Millionen unrechtmäßig erworbenen Datensätzen. Dass die jemals gelöscht werden, gehört ins Märchenreich. Irgendwann wird sich ein unschuldiger Bürger im Gefängnis wiederfinden, weil seine Daten wieder einmal ins Raster passten. Dass sie zu den eigentlich gelöschten gehörten, wird dann niemand erfahren. Die dümmste Logik: Viele glauben, es sei egal, in Datenbanken zu schlummern. Man habe ja nichts zu verbergen. Doch die Staats-Spinne wartet bereits – auf die nächsten Fliegen.
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