piwik no script img

Mendel’sche Vererbungsgesetze widerlegt

Französische Forscherin zeigt erstmals, dass die Weitergabe von Erbinformationen zumindest bei Mäusen nicht nur über die DNA erfolgt

Erbgut bei Tieren – und möglicherweise auch bei Menschen – wird einer neuen Studie zufolge nicht nur per DNA übertragen, sondern auch durch die deutlich einfacher gestrickte RNA. Minoo Rassoulzadegan von französischen Institut für Gesundheit und Medizinforschung (Inserm) berichtet im Fachmagazin Nature, wie sie bei genetisch veränderten Mäusen eine Erbanlage per RNA auf die nächste Generation übertrug. Die Studie könnte Folgen für die Erforschung von Erbkrankheiten haben.

Paul Soloway von der New Yorker Cornell-Universität forderte in einem gesonderten Artikel auf, die Ergebnisse zunächst mit Vorsicht zu genießen: Bevor die Mendel’schen Gesetze zur Vererbung umgeschrieben würden, müssten zunächst andere Wissenschaftler die Studie in Versuchen nachvollziehen.

Dass RNA (Ribonukleinsäure) als Erbmaterial dienen kann, ist von Viren wie dem Grippe-Erreger sowie dem Aids-Virus bekannt. Bei Mensch und Tier ist die RNA der DNA (Desoxyribonukleinsäure) untergeordnet, in welcher Erbinformationen dauerhaft abgelegt sind. Die RNA gilt bislang nur als eine Art Überträgerin oder auch Zwischenspeicher dieser Informationen innerhalb eines Organismus.

Für ihren Test veränderten Rassoulzadegan und ihr Team das so genannte Kit-Gen in der DNA von Mäusen: Es wurde mit der Erbanlage für weiße Tupfen auf dem Schwanz der Nager ergänzt. Die genetisch manipulierten Tiere wurden mit normalen Mäusen gepaart. Alle Nachkommen wiesen die weißen Punkte auf, auch wenn manche der Tiere keines der veränderten Kit-Gene besaßen. Dies widerspricht den 1865 von Gregor Mendel entdeckten und um moderne Erkenntnisse über Chromosomen ergänzten Vererbungsregeln.

Des Rätsels Lösung fand Rassoulzadegan in der RNA: Sie entdeckte, dass die veränderten Kit-Gene riesige Mengen übergroßer RNA erzeugten. Diese RNA fand sich auch in den Spermien der mutierten Mäuse. Die Forscher konnten zeigen, dass die RNA tatsächlich für die weißen Tupfen verantwortlich war: Sie injizierten RNA von mutierten Zellen direkt in normale Mäuse-Embryonen – die in der Folge geborenen Nagetiere hatten die Flecken auf den Schwänzen.

Auch beim Menschen wurde die Existenz von RNA in Spermien bereits nachgewiesen. „Wir machen nur einen Vorschlag, welche Rolle sie spielen könnte“, betonte Rassoulzadegan. Die Studie könnte Auswirkungen auf die Erforschung von Erbkrankheiten haben. Auch wenn in der Folgegeneration kein krankhaft verändertes Gen nachgewiesen werden kann, könnten Krankheiten auf diesem Weg von Generation zu Generation übertragen werden. Sollte Rassoulzadegans „Vorschlag“ in weiteren Studien bestätigt werden, müssten aber auch die Mendel’schen Gesetze neu geschrieben werden. AFP

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen