: Grenzen auf für Afrikaner
Die Wahl im Kongo markiert keine Zeitenwende in Afrika. Dafür bedarf es weniger einer Militärintervention als einer anderen Politik gegenüber afrikanischen Migranten
Mit dem bevorstehenden Kongoeinsatz der Bundeswehr wird ein neues Kapitel der deutschen Afrikapolitik aufgeschlagen. Die Bundesregierung zeigt sich zu größeren militärischen Einsätzen bereit. Angesichts der Vielzahl von Konflikten auf dem afrikanischen Kontinent werden der Operation im Kongo wohl weitere Militärunternehmungen folgen. Wie ist das deutsche Engagement in Afrika zu bewerten?
Die Begründungen für den Bundeswehreinsatz im Kongo (Eufor DR Congo) zeigen, dass die deutsche Afrikapolitik weiter zwei schweren Irrtümern aufsitzt: erstens, dass man durch Intervention der Migration aus Afrika begegnen, und zweitens, dass man Demokratisierung von außen durchsetzen könne.
Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung erklärt den Kongoeinsatz damit, dass man der wachsenden Migration aus Afrika nach Europa aktiv begegnen müsse. Die Abwehr der afrikanischen „Migrationswelle“ ist seit einiger Zeit zu einem Pfeiler der deutschen Afrikapolitik herangewachsen. Doch die Bilder von den Menschen, die in Ceuta, Melilla, Kanaren (Spanien) und Lampedusa (Italien) die Tür nach Europa suchen, sind kein Beweis für einen Ansturm von Afrikanern aus Subsahara-Afrika.
Vielmehr zeigen neuere empirische Untersuchungen der französischen Wissenschaftler Sylvie Bredeloup und Olivier Pliez, dass nur ein kleiner Teil der Migranten an Europas Grenzen aus den Ländern südlich der Sahara kommt, wo jetzt auch deutsche Truppen für Stabilität sorgen sollen. Die weit überwiegende Mehrheit der Migranten, die an Europas Südgrenze anlanden, stammt aus Nordafrika. Für beide Gruppen gilt aber, dass sie sich auch in Zukunft nicht von dem gefährlichen Weg nach Europa abhalten lassen, da die Hoffnungen und die Verzweiflung größer sind als die Ängste.
Will sich die deutsche Afrikapolitik der Migration aus dem subsaharischen Afrika wirklich widmen, muss sie den wachsenden Zorn der Afrikaner über die unmenschlichen Zustände an der Südgrenze Europas ernst nehmen und über eine offenere Einwanderungspolitik nachdenken. Solche Ansätze sind nur zaghaft zu erkennen. Noch dominieren neben der verfehlten Stabilisierungspolitik vor Ort die Forderungen nach Verstärkung der Grenzkontrollen. Stimmen, die eine offenere Einwanderungspolitik fordern, sind rar.
In diesem Klima erscheint die Forderung des Landesbeauftragten der Konrad-Adenauer-Stiftung in Namibia, Wolfgang Maier, nach einer Einwanderung auf Zeit, das heißt mit einem zeitlich begrenzten Aufenthaltsrecht sowie mit finanzieller Unterstützung in Form eines Kombilohns durch die deutsche Entwicklungshilfe, gewagt.
Eine notwendige offenere Einwanderungspolitik darf aber nicht übersehen, dass die Aufnahmefähigkeit Europas mit dem Abbau der regulären Arbeit und der Ausbreitung der Prekarität und Informalität im Zuge der Globalisierung abnimmt. Eine offenere Einwanderungspolitik muss also an einer Sicherung der sozialen Anrechte für alle gekoppelt werden. Einige Wirtschaftswissenschaftler wie etwa Paul Krugman haben diese Problematik erkannt und haben sich daraufhin von ihren liberalen Positionen, die auf eine umfassende Liberalisierung der Arbeitsmärkte zielten, verabschiedet.
Für die deutsche Afrikapolitik stellt sich also zwingend die Aufgabe, Mittel aus der Entwicklungszusammenarbeit für die Integration der Migranten auf dem deutschen Arbeitsmarkt einzusetzen. Damit die Einwanderer keinen zusätzlichen Druck auf den formellen Niedriglohnsektor und den informellen Sektor der Niedrigstlöhner und Ausgebeuteten ausüben, muss erstens ein gesetzlicher Mindestlohn eingeführt werden. Damit eine Konkurrenz nach unten wirklich ausgeschlossen wird, ist natürlich auch eine effektive Eindämmung der informellen Arbeit notwendig.
Zweitens muss der zweite Arbeitsmarkt für die Einwanderer geöffnet und insgesamt ausgeweitet werden, damit ausreichend Arbeit für neu ankommende geringer qualifizierte Einwanderer vorhanden ist. Und drittens sollte ein Teil der Einwanderer nur einen befristeten Aufenthaltsanspruch erhalten, damit ihr in Europa angesammeltes Wissen und Kapital auch den Herkunftsländern zugute kommen kann. Diese Rückkehr sollte, wie teils schon praktiziert, wiederum durch Entwicklungshilfe gefördert werden.
Damit diese „Brückenmigranten“ ihre Funktion aber übernehmen, müssen sie Aufenthaltsrechte erhalten, die ihnen eine neuerliche zeitlich begrenzte Rückkehr nach Europa ermöglicht. Erst damit werden die Menschen nicht genötigt, sich für die alte oder für die neue Heimat frühzeitig zu entscheiden. Ein Abtauchen in die „Informalität und Illegalität“ nach dem Ende des Aufenthaltsrechts bzw. der ersten Periode kann hierdurch effektiv begrenzt werden. Allgemein wird der Beitrag der Migranten zur Entwicklung ihrer Heimatländer nun, seitdem auch die Weltbank sich hierzu positiv äußerte, endlich stärker wahrgenommen.
Wie die Äußerungen der Bundesregierung zum Kongoeinsatz zeigen, ist neben der Abwehr der Migranten die aktive Durchsetzung der Demokratie zu einem Eckpfeiler der deutschen Afrikapolitik geworden. Von Mitverantwortung für die Lage im Nachbarkontinent, der man sich aktiv annehmen müsse, wird immer häufiger gesprochen. Jenseits dessen, dass dafür der Kongo schlechte Voraussetzungen bietet, da die größte Oppositionspartei, die Union für Demokratie und gesellschaftlichen Fortschritt (UDPS), nicht an der Wahl teilnimmt und an der Reformbereitschaft der herrschenden politischen Klasse weiter begründete Zweifel bestehen, laufen die Bundesregierung und Teile der Opposition Gefahr, generell die Möglichkeiten der Demokratisierung von außen zu überschätzen.
Dass die deutsche Afrikapolitik diesem Glauben aufsitzt, zeigt das Beispiel Kenia, wo man mit der Wahl des neuen Präsidenten Mwai Kibaki im Jahr 2002 eine Zeitenwende in der Entwicklung des Landes erwartet hatte, sodass man damals die Entwicklungszusammenarbeit bereitwillig schnell intensivierte. Vier Jahre später ist man ernüchtert. Nun wird im deutschen Parlament über die Einstellung der Zusammenarbeit mit Kenia nachgedacht.
Die Wahl im Kongo markiert nicht, wie die Befürworter der Intervention meinen, eine bevorstehende Zeitenwende in Afrika. Im Kongo, wie in vielen anderen Ländern Afrikas, haben sich Strukturen herausgebildet, die einer stabilen und demokratischen Entwicklung entgegenstehen. Eine Veränderung der Verhältnisse ist primär die Aufgabe der Afrikaner. Die deutsche Afrikapolitik sollte sich hüten, weiterhin, diesmal im Namen einer aktiven Mitverantwortung, für die Afrikaner zu denken und zu handeln. Deutschlands und Europas Mitverantwortung sollte dort vor allem zum Tragen kommen, wo akute Gefahren für Menschenleben bestehen. Eine andere Politik gegenüber den Menschen an unseren Grenzen wäre ein besserer Anfang!
ARMIN OSMANOVIC
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