: Redler tritt an
VON MATTHIAS LOHRE
Der Bruch zwischen WASG-Bundesspitze und ihrem Berliner Landesverband ist perfekt. Gestern entschied der Landeswahlausschuss der Hauptstadt einstimmig, die Wahlalternative zur Abgeordnetenhauswahl am 17. September zuzulassen.
Damit haben die rebellischen Berliner auch den wahlrechtlichen Segen, in Konkurrenz zur verhassten Linkspartei zu kandidieren. Für den WASG-Bundesvorstand ist das ein schwerer Schlag, sieht er darin doch einen Rückschlag bei der Bildung einer „neuen Linken“ aus PDS und Wahlalternative. Die Entscheidung des Gremiums, die WASG zur Wahl zuzulassen, ist ein Höhepunkt im parteiinternen Richtungsstreit.
Die WASG-Bundesspitze befürchtet rechtliche Probleme für die gemeinsame Bundestagsfraktion aus Linkspartei- und WASG-Mitgliedern, wenn Landesverbände bei Wahlen gegeneinander antreten. Deshalb hatte der Bundesvorstand der Wahlalternative den Berliner Landesvorstand am 13. Mai für abgesetzt erklärt und einen Beauftragten an dessen Stelle gesetzt. Dessen Auftrag war klar: In letzter Minute sollte er die Wahlbeteiligungsanzeige der Berliner zurückziehen – und so den Wahlantritt verhindern.
Nun entschied der Landeswahlausschuss: Nur die einreichende Parteigliederung selbst kann ihre Anzeige zurückziehen. „Im Wahlrecht steht nichts von einem Einfluss der Bundespartei“, urteilte Landeswahlleiter Andreas Schmidt von Puskàs.
Damit erhalten die Berliner innerhalb kurzer Zeit von zwei Instanzen Rückenwind für ihre Kandidatur. Am Mittwoch hatte das Berliner Landgericht einem Antrag des 850-Mitglieder-Verbands stattgegeben. Die Richter hatten per einstweiliger Verfügung die Entmachtung des Landesvorstands außer Kraft gesetzt. Nur ein WASG-Bundesparteitag könne diese Verfügung aufheben. Doch die Bundesdelegierten werden den Alleingang nicht verhindern können. Sie treten erst im November zusammen – lange nach der Abgeordnetenhauswahl.
Die Bundespartei gibt den Richtungskampf noch nicht verloren. Während der gestrigen Ausschusssitzung kündigte Ulf Wende, der Anwalt der Bundes-WASG, an, er werde gegen die Landgerichtsentscheidung in Revision vor das Kammergericht gehen. Sie verstoße gegen Artikel 21 des Grundgesetzes.
Die Berliner WASG-Spitzenkandidatin Lucy Redler sprach nach der Wahlausschusssitzung von einem „großen Erfolg“ für ihre Partei. Die 26-Jährige wirft der in Berlin mit der SPD koalierenden Linkspartei neoliberale Politik vor. Überrascht zeigte sich Redler über die Ankündigung der Bundesspitze, Rechtsmittel einzulegen. Das Urteil des Landgerichts sei sehr deutlich gewesen. „Von daher gehe ich davon aus, dass ein Kammergericht nicht anders entscheiden wird.“ Noch am Mittwoch hatten WASG-Chef Klaus Ernst und Vorstandsmitglied Axel Troost nach ihrer Niederlage vor Gericht die „Sache für gegessen“ erklärt.
Der Konkurrenzantritt könnte nicht nur die von der WASG-Spitze prophezeiten Folgen für die Bundestagsfraktion haben. In Berlin könnte die Wahlalternative im September das Zünglein an der Waage sein. In Umfragen fehlen SPD und Linkspartei derzeit wenige Prozente, um ihre seit 2002 bestehende Koalition nach der Wahl weiterzuführen. Zwar erreicht die WASG bei Wählerbefragungen nur rund ein Prozent. Diese Stimmen könnten der Linkspartei am Ende fehlen. Als Wahlziel haben die aufmüpfigen Berliner „fünf Prozent plus x“ ausgegeben. 50.000 Euro Wahlkampfmittel sollen dazu reichen.
In Mecklenburg-Vorpommern könnte der nächste Akt des parteiinternen Streits stattfinden. Auch dort liegen Bundes- und Landes-WASG im Clinch. Gestern bemerkte der Berliner Landeswahlleiter dazu trocken: „Der Kollege aus Schwerin hat uns schon gefragt, wie das weitergeht.“
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