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Ganz eigener Umgang

EINE WERTSCHÄTZUNG Das Berliner Künstlerprogramm des DAAD feiert Fünfzigjähriges. Zum Geburtstag ein persönlicher Rückblick

DAAD-Künstlerprogramm

■ Das Berliner Künstlerprogramm des DAAD wurde 1963 gegründet. Seitdem sind mehr als tausend Künstler aus aller Welt als Stipendiaten zu Gast in Berlin gewesen. Dieser Tage feiert das Künstlerprogramm sein 50-Jähriges mit einem Festival in der Akademie der Künste, Hanseatenweg 10. Abschlusstag heute am Samstag ab 18 Uhr. www.berliner-kuenstlerprogramm.de

VON KATRIN BETTINA MÜLLER

Hoch über der Stadt fliegen die Leute durch die Luft. Man sieht sie einzeln fliegen, jeder für sich, so wie er lustig ist. Aber es kommt auch durchaus zu geselligen Konstellationen. Dann halten sie sich an den Händen und schauen hinunter auf die Stadt.

Ende 1989 habe ich diese Illustrationen von Ilya Kabakov kennengelernt. Das war kurz nach der Öffnung der Berliner Mauer, und die fliegenden Menschen und andere Fluchtfantasien des russischen Künstlers umschwirren bis heute meine Erinnerungen an diese Zeit. Kabakov war 1989 als Gast des Berliner Künstlerprogramms des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD) nach Berlin gekommen und wurde mit seinen Illustrationen und skurrilen Geschichten, die er in große Installationen aus dem sowjetischen und postsowjetischen Alltag einbettete, bald zu einem wichtigen Künstler der 90er Jahre. In der DAAD-Galerie damals in der Kurfürstenstraße, über dem Café Einstein, war seine erste große Berliner Ausstellung zu sehen.

Der damalige Leiter des Künstlerprogramms, Joachim Sartorius, vermittelte mir ein Gespräch mit dem Künstler, der klein, grauhaarig, schüchtern und immer in Begleitung seiner Frau sehr liebenswürdig war. Aber es waren vor allem die absurden Geschichten, die mitten in dem Wust von Artefakten in seiner Ausstellung zu lesen waren, die mich für ihn einnahmen. Geschichten etwa von geheimgehaltenen Katapulten, die ein Mann in einer russischen Kommunalwohnung baut, um sich damit eines Tages hoch über die Erde schleudern zu können.

Eine wichtige Adresse

Gerade feiert das Berliner Künstlerprogramm sein 50-Jähriges. Als ich Mitte der 80er Jahre in Berlin als Kunstkritikerin zu arbeiten begann, war die DAAD-Galerie eine wichtige Adresse für mich als Neuberlinerin und blieb es auch in den 90er Jahren. Dort habe ich zeitgenössische Kunst aus China kennengelernt, zum Beispiel von Jinshi Zhu, der mit sehr sparsamen und spirituellen Mitteln arbeitete. 1988 als Gast des DAAD nach Berlin gekommen, hatte er ein Projekt des Austausches zwischen Künstlern aus Peking und Berlin entwickelt, das er aber nicht mehr realisieren konnte, als sich das politische Klima in China nach dem Aufstand auf dem Tiananmen-Platz wieder verschärfte. Aus dem Nichtzustandekommen des Projekts machte er dann 1990 eine eigene traurige und poetische Erzählung in der DAAD-Galerie.

Die Zeitungsseiten, auf denen ich darüber schrieb, sind schon ganz vergilbt in meinem Ordner alter Rezensionen. Beim Blättern merke ich, dass mir viele der DAAD-Stipendiaten auch gerade deshalb in Erinnerung blieben, weil ihre Arbeit sich mit anderen Entwicklungen verschränkte und sie mein Interesse in eine neue Richtung lenkten. Später war von den dort erstmals ausgestellten Künstlern in anderen Institutionen, wie der Akademie der Künste etwa, mehr zu sehen.

Das ging mir so mit den Videokünstlerinnen Tacita Dean und Fiona Tan, 2000 und 2001 Gäste des DAAD. Die Britin Tacita Dean, die übrigens in Berlin geblieben ist, forderte mit ihren langen Einstellungen das Sehen und das Wahrnehmen der Zeit heraus, eine Veränderung der Empfindung von Dauer und Augenblick und von der eigenen Zeitlichkeit.

Fiona Tan aus Australien arbeitet mit historischem Foto- und Filmmaterial, auch aus der Zeit des Kolonialismus, und sie hat einen ganz eigenen Umgang mit den Machtverhältnissen zwischen Aufnehmenden und Aufgenommenen gefunden – ein Thema, das immer wichtiger wird.

Ein DAAD-Stipendiat von 1991 ist mir immer wieder begegnet: David Moss, experimenteller Musiker, der artistisch, beinahe akrobatisch mit seiner Stimme arbeitet. Er war bei einem großen, seltsamen Treffen von Künstlern und Sportlern in einer Schöneberger Turnhalle dabei, das um die unterschiedlichen Wertmaßstäbe von Schönheit und Leistung kreiste. Er begleitete die Choreografin Sasha Waltz bei einem ihrer ersten Dialogstücke in Berlin. Und mischte seitdem in vielen experimentellen Musikprojekten mit.

Natürlich streift mein persönlicher Rückblick auf 50 Jahre Berliner Künstlerprogramm des DAAD nur einen winzigen Ausschnitt. Schließlich sind über tausend Stipendiaten seither hier gewesen, neben bildenden Künstlern viele Literaten, Komponisten und Filmemacher. Das Fenster der DAAD-Galerie, seit 2005 in der Zimmerstraße in Kreuzberg, machte es etwas leichter zu verfolgen, was die Stipendiaten hier trieben und welchen Input sie der Stadt und den Diskursen der Kunst überhaupt gaben. Und der war groß.

Nicht zuletzt wurde das alles möglich, weil die Stipendien für die Künstler großzügig mit Wohnungen und Ateliers verbunden sind – ein erheblicher Vorteil, das konnte man auch nachlesen in den Erinnerungen ehemaliger DAAD-Gäste. Schon deshalb ist der Erhalt eines solchen Programms heute weiter wichtig. Zwar ist Berlin ein Anziehungspunkt für Künstler aus aller Welt, ihre Lebens- und Arbeitsbedingungen hier aber gestalten sich ökonomisch zunehmend schwieriger. Doch wenigstens dieses Programm vermittelt den Ankommenden auch etwas von der Wertschätzung ihrer Kunst.

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