ROBERT MISIK ZUM ANTI-ÜBERWACHUNGS-AUFRUF: Ihr sollt nicht scannen!
Eine scheinbar nebensächliche Nachricht: In der Ukraine bombardierte die Polizei die Handys der proeuropäischen Demonstranten im Kiewer Stadtzentrum mit der SMS-Nachricht: „Sie sind umstellt. Sie haben keine Chance.“ Technologisch ist das keine große Schwierigkeit. Wessen Mobiltelefon bei einer der nahegelegenen Sendestationen eingeloggt ist, wird als wahrscheinlicher Demonstrant identifiziert. Danach kann man problemlos ein SMS an den Handynutzer schicken. Die einschüchternde Wirkung dieser Nachricht ist nicht zu unterschätzen: „Wir wissen, wer du bist. Wir haben dich am Radar.“
Gegen die Freiheitsbedrohung durch NSA und andere Geheimdienste wendet sich der spektakuläre Schriftstelleraufruf von 500 Autoren aus aller Welt: „Alle Menschen haben das Recht, in ihren Gedanken und Privaträumen, in ihren Briefen und Gesprächen frei und unbeobachtet zu bleiben“, schreiben sie. „Überwachung verletzt die Privatsphäre sowie die Gedanken- und Meinungsfreiheit.“
Das Spektakuläre ist nicht der Text und auch nicht, dass ihn Elfriede Jelinek, Ilija Trojanow oder Juli Zeh unterschrieben haben. Sondern dass es ein Text von Autoren unterschiedlicher Gesellschaften ist; von Autoren, die in verschiedenen Öffentlichkeiten agieren, die unterschiedlich auf die Überwachungsenthüllungen reagierten. Was in Deutschland Skandal genannt wird, halten Amerikaner und Briten für kaum eine Nachricht wert. Kurz: Schriftstellerinnen und Schriftsteller aus vielen verschiedenen Ländern erheben gemeinsam ihre Stimme zu einem Problem globaler Relevanz.
Symbolpolitik? Ja, natürlich. Ohne praktische Bedeutung? Das wird man sehen. Der Aufruf steht gegen den Trott der Nachrichten, gegen das achselzuckende „Da kann man doch eh nichts tun“. Allein dafür ist den Initiatoren zu danken.
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