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DIE TOLERANZPARADE KÖNNTE DIE EINZIGE HOMO-DEMO POLENS BLEIBENEtappensieg für die Menschenrechte

Zähneknirschend war der Warschauer „Marsch der Gleichheit“ von den rechtskonservativen Stadtbehörden erlaubt worden. Zähneknirschend hatte die rechtsextreme Allpolnische Jugend ihre Gegendemonstration kurzfristig abgesagt, weil Vizepremier und Bildungsminister Roman Giertych von der ultrakatholischen Polnischen Familienliga LPR dies forderte. Zuvor hatte das polnische Verfassungsgericht das letztjährige Verbot der Homo-Parade als Verstoß gegen das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit kritisiert. Dazu hatte die internationale Gemeinschaft – von diplomatischen Vertretungen und Europaparlamentariern bis hin zu deutschen Grünen – erheblichen Druck auf Polens rechtspopulistische Regierung ausgeübt. Ein Sieg für Toleranz und Menschenrechte?

Sicher, aber nur ein Etappensieg. Schon bald wird die Hälfte der polnischen Verfassungsrichter ersetzt werden. Premier Jaroslaw Kaczyński hat beim Parteitag seiner Partei Recht und Gerechtigkeit PiS klar gemacht, dass an ihre Stelle aufrechte polnische Rechtskonservative treten werden. Sein Zwillingsbruder Lech, früher Warschauer Stadtpräsident und heute Staatsoberhaupt, wird künftig nicht mehr vorgeben müssen, die Verfassung nicht zu kennen: Auch diese soll bald geändert werden.

So könnte, was heute als Sieg der Toleranz wirkt, schon bald wieder verboten sein. Giertych wetterte bereits am Samstagabend über die staatlich sanktionierte „Propaganda der Homosexualität“ und versprach, eine Wiederholung des Marschs 2007 zu verhindern. Die Demo-Erlaubnis nannte er einen Fehler der PiS-Stadtregierung. Kaczyński-Intimus Bielan dagegen freute sich, dass keine Zwischenfälle während der Demo dem Ansehen Polens in der Welt geschadet hätten. Dass 17 Jahre nach der Wende 2.000 Polizisten das Recht auf Versammlungsfreiheit durchsetzen müssen, unterschlug er – ebenso wie die Tatsache, dass ein Polizeihubschrauber während der Abschlusskundgebung so tief über die Demoteilnehmer flog, dass diese kein Wort verstehen konnten. Der Kampf um Toleranz und Menschenrechte in Polen ist noch lange nicht vorbei. PAUL FLÜCKIGER

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