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Weißbuch keine Lieblingslektüre

Grüne zur Bundeswehr-Fibel von Verteidigungsminister Jung (CDU): „Nebeleinfall“. Doch auch die SPD kritisiert das Ziel „Rohstoffsicherung“ und Einsätze im Innern

BERLIN taz ■ Zunächst nur ganz vereinzelt, dann gleich mit 1.500 Mann 1993 in Somalia trat die Bundeswehr erstmals außerhalb des Nato-Bündnisgebiets als (Friedens-)Streitkraft auf. Mit den Nato-Luftangriffen 1999 auf Serbien zog die Bundeswehr in den Krieg. Seither reihen sich „friedenserhaltende“ und „friedenserzwingende“ Maßnahmen in aller Welt aneinander. Parlamentarisch-öffentlich debattiert wird darüber jeweils ad hoc – wie jüngst zum Kongo-Einsatz.

Umso bedauerlicher findet es nicht nur die Opposition, dass Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU) auch das lang angekündigte „Weißbuch“ wie eine Regierungs-Privatsache verhandelt. Das erste Weißbuch seit 12 Jahren soll die Aufgaben und Perspektiven der Bundeswehr beschreiben. Es wäre dann das tragende Dokument zur Legitimation ihrer Einsätze. Ein Entwurf kursiert inoffiziell seit Mai.

Jung „scheint den massiven Fehler der rot-grünen Regierung fortzusetzen, als (der damalige Verteidigungsminister) Peter Struck seine verteidigungspolitischen Richtlinien vertraulich erarbeitete“, sagt der Grünen-Verteidigungsexperte Winfried Nachtwei. Er und sein Grünen-Kollege Alexander Bonde legen Ende dieser Woche eine Kritik am Weißbuch vor.

Es bringe „mehr Nato und unkritische US-Nähe, mehr nationale Orientierung, eine weitere Entgrenzung des Verteidigungsbegriffs nach innen und außen“ – und „weniger UN-Orientierung, weniger EU-Ehrgeiz“, schreiben sie in ihrer Weißbuch-Rezension, die der taz vorliegt. „Wie ein Nebeleinfall“ wirke Jungs Entwurf insgesamt.

„Die Erfahrungen von über zehn Jahren deutschen Krisenmanagements und Auslandseinsätzen, ihren Leistungen und Ernüchterungen, schlagen sich nicht im Weißbuch nieder“, bemängeln die Grünen außerdem. Jung komme nicht „zu einem klareren Verständnis der Leistungsfähigkeiten und -grenzen von Streitkräften“. Auch die Grünen zweifeln mittlerweile, ob der Verteidigungsetat weiter sinken kann, wenn man die Bundeswehr um die Erde schickt.

Doch durchs Kabinett wird Jung sein Weißbuch nicht mehr vor der Sommerpause bekommen. Die drei befassten SPD-MinisterInnen Brigitte Zypries (Justiz), Heidi Wieczorek-Zeul (Entwicklung) und Frank-Walter Steinmeier (Äußeres) haben ihr Häkchen längst noch nicht darunter gesetzt. Denn die SPD hat einiges auszusetzen: Zypries sprach hat sich Ende Mai öffentlich gegen den im Weißbuch skizzierten Einsatz der Bundeswehr im Innern aus. Von anderen SPD-Spitzen ist nichts Gegenteiliges bekannt.

Ebenso wenig gibt es gegenwärtig eine Mehrheit dafür, zwecks Erweiterung des Aufgabengebiets nach Innen etwa das Grundgesetz zu ändern. Die SPD will nur die Gesetzeslücken schließen, die das vom Verfassungsgericht gekippte Luftsicherheitsgesetz riss: den Fall eines terroristischen Angriffs mit einem Flugzeug ohne zivile Passagiere sowie einige Eingreifmöglichkeiten für die Marine.

Der SPD-Verteidigungspolitiker Rainer Arnold bemängelt zudem die Definition deutscher Interessen. Im Weißbuch steht: Es gelte „wegen der Export- und Rohstoffabhängigkeit Deutschlands, sich insbesondere den Regionen, in denen kritische Rohstoffe und Energieträger gefördert werden, zuzuwenden“. Dies, sagte Arnold kürzlich der Frankfurter Rundschau, lade „zu Fehlinterpretationen ein“. Deutsche Interessen und Verantwortungen gebe es eher auf dem Balkan, in Osteuropa und in Israel und Nahost. ULRIKE WINKELMANN

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