: Die drei abenteuerlichen Leben des Michail Chodorkowski
RUSSLAND Er war brachialer Oligarch und Firmengründer, dann moderner Konzernchef und Manager und schließlich langjähriger Häftling in Sibirien
BERLIN taz | Seit zehn Jahren sitzt der einst reichste Mann Russlands im Gefängnis. Am 25. Oktober 2003 stürmten vermummte Einsatzkräfte auf einem sibirischen Flughafen den Privatjet des Ölmagnaten Michail Chodorkowski und nahmen ihn fest. Der offizielle Vorwurf: Steuerhinterziehung. Chodorkowski wurde nach anderthalb Jahren Untersuchungshaft im Jahr 2005 wegen Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt.
Seine Freunde nannten ihn damals Michail den Großen. Mit 30 Jahren war Michail Chodorkowski Russlands erfolgreichster Unternehmer. Die Zeitschrift Forbes veranschlagte 2003 sein Vermögen auf acht Milliarden Dollar, was weltweit Platz 26 der Superreichen bedeutet.
Den immensen Reichtum erwarb Chodorkowski in den Neunzigerjahren – wie andere Oligarchen – durch die Nähe zu Politik und Bürokratie. Für billiges Geld heimsten die Oligarchen profitabelste Betriebe aus dem Staatseigentum ein.
Im Unterschied zu anderen Schwerreichen hatte der Tycoon aber eine Vision: Er wollte Russland in eine offene Gesellschaft verwandeln. Neben zivilgesellschaftlichen Initiativen unterstützte er Parteien, die sich in Opposition zum Kreml befanden. Der Anspruch auf eine politische Führungsrolle gegen Wladimir Putin gilt als Grund dafür, dass die Staatsführung ihn entmachtete und seinen Ölkonzern Yukos zerschlug.
Weil er im Jahr 2011 freikommen sollte, strengte die Staatsmacht ein zweites Verfahren gegen ihn an. Ein Gericht sprach im Jahre 2010 den ehemaligen Yukos-Chef sowie seinen Geschäftspartner Platon Lebedew wegen Unterschlagung schuldig. Viele sahen in dem Urteil ein Instrument des Kremls, Chodorkowski so lange außer Gefecht zu setzen, bis Wladimir Putin ein drittes Mal zum Präsidenten Russlands gewählt sein würde, was dann ja auch geschehen ist.
Als Oligarch der 90er Jahre hatte Chodorkowski nicht weniger Dreck am Stecken als andere Finanzmogule. So war die Privatisierung von Yukos Ende 1995 ein abgekartetes Spiel. Der Ölkonzern hatte damals schon einen Schätzwert von mehreren Milliarden Dollar. Chodorkowski zahlte für 45 Prozent der Aktien nur 9 Millionen Dollar mehr als das Mindestgebot von 150 Millionen Dollar. Ein weiteres Drittel der Konzernaktien erhielt er später zu ähnlich günstigen Bedingungen. Dafür finanzierte er den Präsidentschaftswahlkampf Boris Jelzins im Jahr 1996.
In der Perestroika kam Chodorkowski seine Rolle als Funktionär des staatlichen Jugendverbands Komsomol zugute. Mit Beziehungen zu Funktionären, Fabrikchefs oder dem Geheimdienst ließen sich riesige Vermögen anhäufen. Vom Devisenhandel über westlichen Computerimport bis zu gepanschtem Cognac – mit allem machte Chodorkowski Geld. KHD, GB
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