: Keine Versöhnung zu Versöhnungsinitiative
Knapp zwei Jahre nach Deutschlands Entschuldigung für den Herero-Völkermord gibt es noch immer keinen Dialog
MÜNCHEN taz ■ Der von Namibias Herero-Volk reklamierte Anspruch auf Reparationen für den deutschen Völkermord von 1904 wird jetzt auch in Deutschland unterstützt. Die Nachfahren der Überlebenden des Völkermords hätten „ein Recht nicht nur auf Anerkennung von Unrecht und erlittenem Leid, sondern auch auf materielle Entschädigung“, erklären die renommierten Organisationen „Informationsstelle Südliches Afrika“ (ISSA) und „Koordination Südliches Afrika“ (KOSA).
In einer Presseerklärung übten ISSA und KOSA zugleich ungewöhnlich heftige Kritik an Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul und ihrer geplanten „Versöhnungsinitiative“, die sie 2004 anstelle von Reparationszahlungen angekündigt hatte. Seit der Entschuldigungsrede der Ministerin in Namibia im August 2004 sei noch „keinerlei Entschädigungsregelung in Sicht, die eine Zustimmung der betroffenen Gruppen finden könnte“. Der „faktische Stillstand“ sei nicht länger hinnehmbar, eine neue öffentliche Debatte sei „dringend geboten“.
Die von der Ministerin geplante Versöhnungsinitiative sieht zusätzliche Mittel für Entwicklungsprojekte in Namibia von jährlich 2 Millionen Euro über 10 Jahre vor. Doch das namibische „Völkermord-Komitee“, das breite Unterstützung der Herero-Bevölkerung genießt, hat scharf gegen das dafür geplante Abkommen protestiert. Das dem anerkannten Herero-Führer Kuaima Riruako nahe stehende Komitee warnte die namibische Regierung davor, „ein in Deutschland hergestelltes Produkt“ zu bestätigen, und forderte sie auf, „sich von den deutschen Manövern und Manipulationen zu befreien“. Nötig sei ein Dialog zwischen der deutschen Regierung und einer Delegation, die für alle Herero spreche.
Das Entwicklungsministerium (BMZ) wehrte gegenüber der taz Reparationsansprüche ab und verwies auf Deutschlands bestehende Entwicklungszusammenarbeit mit Namibia. Diese käme, so Pressesprecher Markus Weidling, „allen Volksgruppen des Landes zugute“. Zur Frage, ob eine Versöhnungsinitiative ohne die Beteiligung des traditionellen Führers der Herero überhaupt erfolgreich sein könne, erklärte der Sprecher, Riruako sei wie andere traditionelle Führer „herzlich eingeladen (gewesen), sich an der Vorbereitung der Initiative zu beteiligen“. In informierten Kreisen ist indes seit langem bekannt, dass die Bundesregierung Riruako immer wieder die kalte Schulter zeigt. ROLF-HENNING HINTZE
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