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Anarchie in Toronto

PROTEST Autonome randalieren heftig. Das Anliegen der Demo geht völlig unter

„Noch nie haben wir so viel Vandalismus und Zerstörung gesehen“

BILL BLAIR, POLIZEICHEF TORONTO

TORONTO taz | Es waren surreale Szenen, die sich am Samstagnachmittag auf der Haupteinkaufsstraße von Toronto abspielten: Mehrere hundert Demonstranten, viele von ihnen ganz oder teilweise vermummt, zogen durch die Stadt und zertrümmerten in aller Ruhe die Scheiben und Leuchtreklamen von Banken und Ketten wie Starbucks und McDonald’s – umgeben von fassungslosen Passanten und völlig unbehelligt von der Polizei, die lange Zeit nicht zu sehen war.

Zuvor waren ungefähr 10.000 Menschen durch Toronto gezogen. Neben größeren Blöcken von Gewerkschaften und Greenpeace waren Gruppen aller Art beteiligt, die von der Bekämpfung der Armut über Freiheit für Tibet und den Kommunismus bis zum Stopp der Ölsandförderung in Kanada eine Vielzahl von Anliegen auf die Straße trugen. War eine gemeinsame, gar auf den Anlass des G-20-Treffens bezogene Forderung schon während der Demonstration kaum auszumachen, so geriet das Anliegen der Demonstranten im Laufe des Tages immer weiter in den Hintergrund.

Denn etwa zur Mitte der Demonstration, als diese dem Sicherheitszaun rund um das G-20-Konferenzzentrum am nächsten war, verließ ein Teil der Demonstranten die geplante Route. Der Versuch, eine massive Polizeikette zu durchbrechen, um sich dem Zaun weiter zu nähern, scheiterte. Mehrere Menschen wurden dabei am Kopf verletzt. Kurze Zeit später wurden zwei Polizeiautos demoliert und eines in Brand gesteckt – unter hilflosen Blicken überfordert wirkender Polizisten. Auch der Kamerawagen eines örtlichen Fernsehsenders wurde angegriffen. Anschließend zogen die Demonstranten in die Innenstadt, wo zwei weitere Polizeiwagen in Brand gesteckt und zahlreiche Scheiben mit Hämmern und Baseballschlägern zertrümmert wurden. Erst nach Stunden rückte die Polizei vor, wobei auch Tränengas zum Einsatz kam. Insgesamt seien 412 Menschen festgenommen worden, teilte die Polizei am Sonntag mit.

Bestürzt äußerte sich Torontos Polizeichef Bill Blair. „Noch nie haben wir auf unseren Straßen ein solches Maß an mutwilliger Kriminalität und Vandalismus und Zerstörung gesehen“, sagte er. Der Verlauf der Demonstration dürfte in Kanada eine Debatte über die Sicherheitsstrategie auslösen. In Toronto waren am Samstag 12.000 Polizisten im Einsatz. Um Festnahmen zu erleichtern, hatte die Stadt eigens Sonderregeln in Kraft gesetzt. Für den Schutz des Gipfels gab das Land umgerechnet 900 Millionen Euro aus, weit mehr als jemals zuvor bei einem Gipfel. Viel gebracht – so die Stimmung bei Demonstranten wie Passanten gleichermaßen – hat das offenbar nicht. MKR

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