portrait: Bayerns Bärentöter unter Beschuss
Es klingt etwas hilflos, was der bayerische Umweltminister Werner Schnappauf den Journalisten am Telefon in die Blöcke diktiert: „Meine ganze Familie liebt Bären. Ich habe meinen Kindern viele Teddybären geschenkt. Als Kind hatte ich auch Teddys.“ Der CSU-Politiker weilt bei der weltgrößten Umweltmesse in Schanghai, doch die Heimkehr in den Freistaat könnte unangenehm werden. Obwohl er auch aus Asien seine „Trauer“ kundtut über den Tod von Bruno. Denn nach Ansicht vieler Menschen hat Schnappauf in seiner Funktion als oberster bayerischer Jagdherr den Bären auf dem Gewissen.
„Mord“ nennen manche gar den Abschuss des Tiers, das Montagmorgen von drei behördlich beauftragten Jägern in den Voralpen getötet wurde. Die Menschen haben dieses zweijährige Tier lieb gewonnen, das auf seiner Alpentour mehr als 40 Schafe gerissen hat. Seit seinem Auftauchen in Bayern am 22. Mai schaffte es Bruno elfmal auf den Titel des Boulevardblatts tz – und es ist kein Ende in Sicht: Die Firma Steiff verkauft ihre Teddys mit Trauerflor, eine Münchner Werbeagentur druckt T-Shirts mit der Aufschrift: Rache für Bruno. Der Merkur schaltet eine Todesanzeige einer Familie aus Weyarn, in der „statt Kranz- und Blumenspenden“ um Protestbriefe an „Stoiber, Schnappauf & Konsorten“ gebeten wird. Und bei der Pressekonferenz zum Tod des Bären schickte das LKA einen Personenschützer, obwohl nur ein Staatssekretär am Pult stand.
Wohl nicht ohne Grund, sind doch nach Polizeiangaben Morddrohungen gegen Ressortchef Schnappauf und seine Familie eingegangen, und auch auf dem Justizweg droht dem 52-jährigen Minister Ärger. „Anzeigen kommen laufend – bei uns sind es jetzt 15“, erklärte der Leitende Oberstaatsanwalt Ludwig Hödl gestern. Die Justizbehörde prüfe, ob sie Ermittlungen aufnehme.
Auch im politischen München könnten die nächsten Wochen ungemütlich werden für den Oberfranken Schnappauf, der sein Haus stets rege und gut gelaunt leitet und sich eigentlich zu Größerem berufen fühlt. Als Bayerns Innenminister wurde er während Stoibers Berlin-Eskapaden gehandelt und sogar als Ministerpräsidentenkandidat.
Die gute Laune ist daher dahin. Schon nach seinem zögerlichen Handeln beim Gammelfleischskandal sind Schnappauf einige Parteifreunde davongelaufen. Nach dem Abschuss von Bruno reimen manche schadenfroh in der Fraktion: „Schnappauf – Schnappzu – Schnappüber!“ Und verlieren dabei vielleicht auch aus den Augen, dass das Volk der wahre Dichter ist. Denn auf der Straße heißt es: „Braunbär, Saubär, Stoibär!“ MAX HÄGLER
meinung und diskussion SEITE 10
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