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Die Koalition und das Ende der PartyKOMMENTAR VON BETTINA GAUS

Eine große Koalition löst keine Begeisterung aus, ruft aber auch nur selten weit verbreiteten Widerwillen hervor. Dafür ist die Mehrheit derer zu groß, die sich darüber freuen, dass die von ihnen gewählten Parteien wenigstens nicht in der Opposition gelandet sind. Aber wenn die Bundesregierung so weitermacht wie bisher, dann kann sie nicht einmal mehr auf dieses gedämpfte Wohlwollen zählen. Dann dürfte der Koalition eine Verbitterung entgegenschlagen, gegen die sich alle Hartz-IV-Proteste sanft ausnehmen.

Es ist in vielen Bereichen nur schwer zu erkennen, welche Ziele die Regierung eigentlich verfolgt. Etwas jedoch steht immerhin fest: dass sie nämlich selbst gegen die wenigen Grundsätze, die sie unbeirrt verfolgen wollte, unablässig verstößt – ja sogar das Gegenteil von dem tut, was sie behauptet tun zu wollen. Die Lohnnebenkosten steigen, die Schulden auch und außerdem die Steuern. Die sogenannten Reformen des Gesundheitswesens und des Föderalismus sind die Summe vieler fauler Kompromisse.

Viele einzelne Entscheidungen mögen richtig sein. In ihrer Gesamtheit bieten sie ein widersprüchliches Bild, an dem noch in dieser Legislaturperiode kräftig herumretuschiert werden wird. Die Leute wissen schon lange, dass Belastungen auf sie zukommen, und sind grundsätzlich auch bereit, das schweren Herzens hinzunehmen – wenn sie mehrheitlich Veränderungen für sinnvoll halten und daran glauben, dass es dabei einigermaßen gerecht zugeht. Beides ist derzeit nicht der Fall.

Wäre die Opposition nicht so schwach und wären die Deutschen nicht derzeit in Feierlaune, dann würde sich schon jetzt ein Sturm der Entrüstung erheben. Aber so lange kann eine Partystimmung gar nicht dauern und so schwach kann eine Opposition gar nicht sein, als dass eine Regierung ungestraft derart dilettantisch agieren dürfte. Oder darf sie doch? Eine große Koalition ist schwer zu bestrafen. Irgendjemand gewinnt jede Wahl, und arithmetisch spricht viel dafür, dass dieses Bündnis länger hält, als selbst dessen Führungsspitzen das wünschen. Einfach nur deshalb, weil es für keine andere Mehrheit reicht. Eine lähmende Perspektive.

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