: Heia, Safari!
TRADITION Nach dem erfolgreichen Einsatz am Hindukusch soll Deutschland nun auch noch in Afrika verteidigt werden. Hm – waren wir da nicht schon mal? Na und ob!
VON AMBROS WAIBEL
Gegen Ende seines Lebens stand der Hl. Augustinus vor einem Riesendilemma. Mehr als 400 Jahre nach Ankunft des Erlösers Jesus Christus hatte das Reich des Bösen – das heidnische Rom – fast voll vollständig zum rechten Glauben rübergemacht. Alles schien also gut zu werden, da eroberten germanische Goten Rom. Wenig später standen nicht minder wütende Vandalen, heftig Einlass verlangend, vor den Toren der nordafrikanischen Stadt Hippo, der Augustinus als Bischof vorstand. Und die Vandalen waren, jedenfalls wenn man dem globalen gesunden Volksempfinden jenseits von Nordsee und Alpen, Neiße und Rhein folgt … – ja was? Deutsche, genau.
Augustinus wäre nicht der wirkmächtigste aller Kirchenväter geworden, wenn er das Problem nicht hätte lösen können. So, wie nicht die Christen daran schuld waren, wenn der Regen ausblieb – wie manche seiner Zeitgenossen verstockt behaupteten –, so war das Christentum auch nicht dafür verantwortlich zu machen, dass es die Deutschen plötzlich nach einem Platz an der Sonne verlangte.
Diese hiesige Welt, lautete Augustinus’ Antwort auf die Zumutungen des ersten deutschen Afrikakorps, ist sowieso Dreck, überlassen wir sie ruhig den Vandalen. Die ließen sich das nicht zweimal sagen und zogen im Jahr 431 in Hippo ein. Dass sie sich dort schlimmer aufgeführt hätten als die Römer vor oder die Byzantiner und Araber nach ihnen, gibt die Geschichtsschreibung nicht wirklich her. Von einer Friedensmission wird man dennoch nicht sprechen mögen, schon eher von einem robusten Mandat. Ein solches ist nun auch für die Bundeswehr in Mali im Gespräch, die dortigen deutschen Ausbilder sollen von deutschen Truppen beschützt, der Flughafen Bamako von ihnen statt von Franzosen gesichert werden. Die sollen dafür verstärkt in der Zentralafrikanischen Republik für Sicherheit und Ordnung sorgen.
Mit der Entlastung überforderter Verbündeter steht die Bundeswehr bei ihrem neuen Afrikaeinsatz durchaus in deutscher Militärtradition. Rommel sollte dem Italiener ab 1941 in Libyen helfen und wurde zum sagenumwobenen Wüstenfuchs. Dass die SS-„Einsatzgruppe“ zur Ermordung der Juden in Ägypten und im damaligen Palästina schon bereitstand, verkommt in der Bewertung Rommels viel zu oft zum Detail. Schon vorher jedoch hatten Deutsche in Nordafrika Beihilfe zum Völkermord geleistet, mit Senfgaslieferungen an die spanische Kolonialarmee in Marokko. Über 500 Tonnen kamen zum Einsatz. „Wir Rif-Bewohner waren die Versuchskaninchen für die deutsche Giftgasindustrie“, sagte ein Sprecher der Opfervereinigung im Jahr 2002 der taz.
Der Völkermord an den Herero und Nama durch deutsche Truppen in der ehemaligen Kolonie Namibia wurde 1948 von den Vereinten Nationen offiziell anerkannt. Dieser von 1904 bis 1908 dauernde „Rassenkrieg“ (Generaloberst Alfred von Schlieffen) kostete bis zu 95.000 Einheimische das Leben. Mit dabei war damals auch Paul Emil von Lettow-Vorbeck, der sich später auf der anderen Seite des Kontinents nicht minder zweifelhafte Verdienste erwarb, als er die ihm anvertraute Truppe im Ersten Weltkrieg vier Jahre lang einen sinnlosen und überaus verlustreichen Guerillakrieg in Deutsch-Ostafrika führen ließ.
So weit, so schlecht. Und doch wird man, sozusagen auf den Spuren des Hl.Augustinus, nicht um die Bewertung herumkommen, dass die Geschichte als Lehrmeisterin überschätzt wird. Wenn heute deutsche Soldaten nach Afrika ziehen, dann tun sie das als Armee eines demokratischen Staates und eher nicht mit dem „Heia, Safari“-Schlachtruf der deutschen Kolonial- und Weltkriegstruppen. Spätestens seit Kundus weiß man aber auch in Deutschland wieder, dass es einen Krieg ohne Kriegsverbrechen nicht gibt. Und die syrische Tragödie beweist, dass die Bundeswehr durchaus nicht dorthin geschickt wird, wo ein robustes Mandat zum Schutz der Menschrechte am nötigsten wäre. Warum also nach Afrika, jetzt? Na ja, was genau die Wanderlust der Vandalen ausgelöst hat, ist bis heute nicht geklärt.
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