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Rohstoff Leben

Der Berliner Filmemacher Christoph Rüter zeichnet Leben und Tod des Schriftstellers Jörg Fauser nach. 23.15 Uhr, 3sat, „Rohstoff“

VON GERRIT BARTELS

Für jemand, der schreiben will, hat Jörg Fauser einmal gesagt, sei das Leben der „Rohstoff“: „Leben, Lebensinhalt und Lebensunterhalt, das lässt sich nicht voneinander trennen.“ Zum Leben aber gehört der Tod, das vergaß der Schriftsteller Fauser nie, und speziell in seinem Fall auf tragische Weise: Im Alter von nur 43 Jahren starb Fauser nach seiner Geburtstagsfeier am 17. Juli 1987 um vier Uhr früh auf einer Münchener Autobahn, wo ein Lastwagen ihn überfuhr.

Der Tod als Klammer

Wie Fauser dahin kam, warum er dort lief, was er zwischen zwei Uhr, da er die fröhliche Geburtstagsrunde im Münchener „Schumanns“ verlassen hatte, und vier Uhr trieb, all das ist bis heute ungeklärt und wird auch von dem Berliner Filmemacher Christoph Rüter in seinem Fauser-Porträt „Rohstoff“ in kein helleres Licht getaucht.

Für Rüter ist der Tod des Literatur-und-Leben-Fetischisten Fausers die Klammer seines Films: Zu Beginn eine Fahrt auf der Autobahn, auf der Fauser ums Leben kam, dazu aus dem Off Fausers Stimme und Schriftsteller-Credo. Am Ende Fausers Ehefrau, die sagt, dass sie den die Todesnachricht übermittelnden Polizeibeamten kein Wort glauben wollte.

Dazwischen zeichnet Rüter das Leben eines Schriftstellers nach, das so schnell und intensiv war wie seine Kolumnen, Gedichte und Romane, die in der kurzen Zeitspanne von 1972, da Fausers erstes Buch „Tophane“ erschien, bis 1987 zu einem beachtlichen Werk anschwollen. Rüter bedient sich eines schönen, den Nachruhm Fausers miteinbeziehenden Kniffs: Er zeigt zunächst die drei Schriftsteller und Fauser-Fans Wiglaf Droste, Benjamin v. Stuckrad-Barre und Franz Dobler, die auf einer Bühne sitzen, aus Fausers Büchern vorlesen und seinen Einfluss erklären.

Schließlich sucht Rüter mit Franz Dobler als Erzähler die Menschen auf, die Fauser nahe standen: die Mutter, die Kurzzeit-Verlobte Nadine Miller, die Witwe in München. Und berufliche Wegbegleiter wie der ehemalige tip-Chefredakteur Werner Matthes, der Bukowski-Übersetzer Carl Weissner oder der Krimi-Autor Martin Compart.

Sie alle beschreiben einen Menschen, dessen Schriftstellerleben doch aus etwas mehr bestand als nur „Drogenlebenzackzackzack“ (Volker Weidermann). Am eindrücklichsten dabei ist zum einen die Mutter, die die Bilder zeigt, die ihr Mann nach Fausers Tod gemalt hat, eine Art Todeszyklus. Zum anderen Martin Compart, der mit Sonnenbrille, Kippe und Whiskeyglas vor der Kamera sitzt und Fausers Klagenfurt-Auftritt beschreibt: „Da sitzen Reich-Ranicki und solche Dummschwätzer, die ja von Literatur höchst wenig Ahnung haben und höchstens einen Reclam-Kanon herunterbeten können, da hat doch niemand begriffen, wer er überhaupt ist.“

In der Kampfzone

In der Tat: Sieht man die Klagenfurt-Szenen, glaubt man, dass Fauser „die Kampfzone nur einmal aus nächster Nähe miterleben wollte“ (Weissner). Marcel Reich-Ranicki kanzelt Fauser ab – „er passt nicht hierher, das ist geschrieben ohne literarischen Ehrgeiz“ – und daneben sitzt Walter Jens und amüsiert sich köstlich. Und Fauser? Schaut Reich-Ranicki fast mitleidig von oben herab an, so als hätte er sowieso nichts anderes erwartet, als würde er wieder nur Blechtrommel-und-Walser-Beweihräucherer und sonst nichts um sich herum sehen.

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