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„Gleiche Rechte bedeutet gleiche Pflichten“

ELTERNSCHAFT Edith Schwab, Vorsitzende des Verbandes der Alleinerziehenden (VAMV), sieht das neue Sorgerechtsurteil zugunsten der Väter kritisch, weil diese mehr in die Verantwortung müssten

Edith Schwab

■ Rechtsanwältin, geboren 1949 in Penzberg, seit 2001 ist sie Bundesvorsitzende des „Verbandes Alleinerziehender Mütter und Väter“ (VAMV).

taz: Frau Schwab, das Bundesverfassungsgericht hat die bisherige Regelung, nach der unverheiratete Väter nur mit Zustimmung der Mutter ein gemeinsames Sorgerecht für die Kinder erhalten, für verfassungswidrig erklärt. Wenn künftig beide Elternteile dieselben Rechte haben, ist das doch gerecht, warum sind trotzdem viele Frauen dagegen?

Edith Schwab: Das Gesetz bedeutet ja nicht, dass Männer mehr Verantwortung übernehmen sollen sondern lediglich, dass Väter, denen die Mutter das Sorgerecht – oft aus guten Gründen – nicht freiwillig überlassen möchte, sich nun in eine Rechtssituation einklagen können. Dazu zählen etwa Väter, die nur für eine Nacht lang Kontakt zur Mutter hatten, oder Vergewaltiger.

Was wäre eine bessere Lösung? Das Mindeste wäre es, ganz klare Kriterien im Gesetz niederzuschreiben. Die Väter müssten nachweisen können, dass sie eine enge Bindung zum Kind haben und bereit sind, Verantwortung zu übernehmen.

Glauben Sie nicht, dass Väter dazu eher bereit sind, wenn man ihnen – wie jetzt geschehen – mehr Rechte einräumt?

Nein. Diese Luftblase ist vor über zehn Jahren zerstoben. Wir haben seit 1998 das neue Kindschaftsrecht, das die gemeinsame Sorge auch nach der Scheidung mit sich brachte. Trotzdem verabschiedet sich statistisch gesehen jeder zweite Vater nach spätestens zwei Jahren, ein Drittel zahlt keinen Unterhalt.

Trotzdem: Warum sollten Mütter mehr Rechte an ihrem Kind haben als die Väter? Die Väter können natürlich die gleichen Rechte haben, dann müssen sie aber auch die gleichen Pflichten übernehmen. Sorgerecht und Sorgepflicht, das müsste eigentlich ein Synonym sein. Das ist es nach unserem Gesetz aber nicht.

Zur Sorge oder Liebe kann ich ja niemanden gesetzlich verpflichten.

Natürlich kann man Liebe nicht einklagen, aber man kann schon dafür sorgen, dass man sich die Lasten der Erziehung, die Verantwortung besser teilt. Im Moment wird aber einfach eine Rechtsposition gestärkt, das ist mir zu wenig. INTERVIEW: ARIANE LEMME

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