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Sehr ausgewogen zum Krieg im Nahen Osten

Ohne größere Diskussion beschließt die Attac-Basis in Karlsruhe eine Erklärung zu den Kämpfen im Libanon

Karlsruhe taz ■ Bei einem Attac-Treffen vor drei Jahren in Aachen war es bei der Nahostfrage fast zur Spaltung der Bewegung gekommen. Doch von der Sprengkraft dieses Konflikts war auf der derzeit laufenden Attac-Sommerakademie in Karlsruhe kaum mehr etwas zu merken. So kam eine Erklärung zum Krieg im Nahen Osten zustande, die ausgewogener nicht hätte ausfallen können. Die Formulierungen sind bewusst abstrakt gehalten, wenn die Rede ist von „Gewalt, Terror und Faustrecht“, die „keine Lösung bringen, sondern immer neue Probleme schaffen“.

„Es ist höchste Zeit, aus der Logik von Rache und Vergeltung auszusteigen“, schreiben die Verfasser von Attac. Sie kritisieren in der Erklärung zwar, dass die israelische Regierung das Völkerrecht und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit „auf eklatante Weise“ missachtet habe. Doch gleich im nächsten Absatz betonen sie, dass auch die Gewalt der Hisbollah nicht hingenommen werden könne. Sie schließe Verhandlungen mit ihr zwar nicht aus. Aber ihre Gewalt sei „Ausdruck eines religiösen Fundamentalismus, der zutiefst antiemanzipatorisch ist“. Die sofortige Unterbrechung der Gewalt sei die „erste und unumgängliche Voraussetzung einer Lösung“.

Die Attac-Spitze stieß bei der Basis in Karlsruhe mit ihrer Erklärung auf weitgehende Zustimmung. Vorbei die Zeiten, in denen sich innerhalb von Attac auf der einen Seite eine Fraktion mit den Palästinensern solidarisierte und zum Boykott israelischer Produkte aufrief – während auf der anderen Seite die standen, die eine zu vehemente Kritik an dem israelischen Vorgehen ablehnten, weil es der deutschen Linken nicht zustehe, Israel zu kritisieren. Besonders feindlich standen sich die israelbegeisterten „Antideutschen“ und die palästinafreundlichen „Antiimps“ gegenüber.

Wie entspannt die Debatte der sonst so zerstrittenen Linken ist, zeigen auch die Demonstrationen in Berlin. Auf einer der ersten proisraelischen Bündnisdemonstrationen mit unter anderem jüdischen Organisationen waren vergangene Woche Angehörige des antideutschen Zeitschriftenprojekts Bahamas weitgehend damit beschäftigt, Deutschlandfahnen einzusammeln, die ihre Bündnispartner der deutsch-israelischen Gesellschaft mitgebracht hatten. Für die üblichen verbalen Anfeindungen gegen Palästinenser-„Antiimps“ fanden sie keine Zeit. Doch auch bei den ersten Pro-Libanon-Protesten in Berlin, als einige Demonstranten grüne Hamasfahnen und Nasrallah-Bilder vor sich her trugen, blieb die große Solidaritätswelle der „Antiimps“ aus. „Die jahrelange Debatte scheint nun gefruchtet zu haben“, sagt Thomas Seibert von Medico International, der zu den Verfassern der Erklärung gehört. „Auf beiden Seiten.“

Innerhalb des Attac-Netzwerks scheint es nur eine Gruppe zu geben, denen die Erklärung der Attac-Spitze „zu schwammig“ bleibt: die „AG Globalisierung und Krieg“. Aktivistin Barbara Fuchs kritisierte, in der Erklärung werde zu wenig auf die Ursachen des Konflikts eingegangen. Sie äußerte Mitleid mit den Opfern in der israelischen Zivilbevölkerung. Zugleich dürfe nicht vergessen werden, dass die Israelis den Palästinensern Land und Wasser geraubt hätten. Auch Barbara Fuchs räumte ein, dass eine eindeutige Parteinahme nicht mehr so einfach zu formulieren ist. Ihr Arbeitskreis hat sich zwar gegen die Erklärung der Attac-Spitze ausgesprochen. Aber eine eigene Erklärung habe ihr Kreis bisher auch noch nicht zustande gebracht. FELIX LEE

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