world trade center etc.: Rechter Applaus für Oliver Stone
Man hat Oliver Stone schon viele Dinge nachgesagt, aber bestimmt noch nicht, dass er ein guter Patriot sei. Doch der alt-linke Regisseur wird sich wohl an das Label gewöhnen müssen. Sein 9/11-Drama „World Trade Center“, das gestern in den USA und Kanada angelaufen ist, gefällt nämlich der konservativen Rechten besser, als dies Stone lieb sein dürfte. Der Film, urteilte etwa der rechte Fox-News-Kolumnist Cal Thomas, sei einer der größten „Gott-schütze-Amerika-Filme, die es je gab“.
Thomas war nicht der einzige Rechte, dem „World Trade Center“ gut gefiel. Kathryn Jean Lopez von National Review freute sich darüber, dass sich der Film im Gegensatz zu Paul Greengrass’ „United 93“ nicht um die Terroristen kümmere, sondern alleine um die Amerikaner. „Um die Guten. Gott schütze Oliver Stone!“ L. Brent Bozell III, der Vorsitzende des Media Research Center – bekannt vor allem für seine fanatischen Anti-Obszönitäts-Kampagnen –, nannte den Film ein Meisterwerk und verschickte 400.000 E-Mails mit der Aufforderung, sich den Film anzuschauen. Und die rechte Washington Times nannte den Film „ein wirklich großartiges Werk“.
Dabei wollte Stone angeblich einen unpolitischen Film machen. „Dieser Film geht über den 11. September hinaus“, sagte er gegenüber dem Nachrichtenmagazin Newsweek. „Es ist ein Film über jedermann, überall, ob es in der U-Bahn von Madrid ist oder in einem Erdbeben oder einem Tsunami. Sein Thema ist das Gefühl, in der Falle zu sitzen und dem Tod ins Auge zu schauen.“
Zu glauben, er könne sich bei dem Thema 11. September der Politik entziehen, war von Stone jedoch eindeutig naiv. Ebenso naiv wie die Tatsache, dass er sich nicht eingehend über die PR-Firma informiert hat, die seinen Film vermarktet. Es handelt sich dabei um die Gesellschaft Creative Response Concepts, die einen einschlägigen Ruf als Unterstützerin der konservativen Sache hat. Zu ihren Projekten gehörten die Kampagnen der konservativen Bundesrichter John Roberts und Samuel Alito und die publizistische Betreuung des konservativen Senators Newt Gingrich. Die Meisterleistung der Firma war die Schmutzkampagne gegen John Kerry im Präsidentschaftswahlkampf 2004. Dem Vietnamveteranen Kerry wurde vorgeworfen, sich seine Kriegsorden erschlichen zu haben.
Mit seiner Betonung traditioneller Familienwerte sowie des christlichen Glaubens hat Stone in seinem Film freilich einer solchen Indienstnahme durch die Rechte – willentlich oder unwillentlich – Vorschub geleistet. Den Ereignissen des 11. September einen anderen Rahmen zu geben, als den, der vom konservativen Mainstream in Amerika seit dem 12. September 2001 vorgegeben wird, scheint in den USA wohl immer noch nicht möglich zu sein. Auch nicht für Oliver Stone. SEBASTIAN MOLL
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