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Vattenfalls doppelte HavarieKOMMENTAR VON NICK REIMER

Mag ja sein, dass die Betreiber von Atomkraftwerken diesen ihren Grundsatz selber glauben: „Deutsche Atomkraftwerke sind die sichersten der Welt.“ Wer aber kann den deutschen AKW-Betreibern noch etwas glauben? Reflexhaft hatten Eon, Vattenfall und Co nach der Havarie in der schwedischen Anlage Forsmark erklärt, solcherlei sei hierzulande ausgeschlossen. Jetzt musste Vattenfall einräumen, dass Teile des Notstromsystems seines AKWs Brunsbüttel den fehlerhaften Geräten in Forsmark gleichen.

Die Akzeptanz einer Hochrisikotechnologie hängt maßgeblich davon ab, dass keinerlei Zweifel am Verantwortungsbewusstsein der Betreiber bestehen. Wenn ein Betreiber erklärt, technische Übereinstimmungen zu einem havarierten Reaktor gebe es nicht, muss diese Aussage für Politik und Stromverbraucher richtig sein. Schließlich folgt auf solch eine Erklärung, dass nichts folgt: Weil es keine Übereinstimmung gibt, muss man Probleme wie im schwedischen AKW Forsmark weder simulieren noch sicherheitstechnisch berücksichtigen.

Es bedurfte eines Expertengremiums der Reaktorsicherheitskommission, um Vattenfall der Lüge zu überführen. Das bedeutet: Deutsche Atomkraftwerke sind genauso zuverlässig wie ihre Betreiber. Offenbar brauchte Forsmark-Betreiber Vattenfall fünf Wochen, um bei Brunsbüttel-Betreiber Vattenfall erhebliche sicherheitstechnische Übereinstimmungen zu finden. In Schweden legte die dortige Reaktorsicherheitskommission sofort nach dem Störfall alle bauverwandten AKWs still. In Deutschland läuft Brunsbüttel immer noch.

Es kann sein, dass kein AKW mit einem anderen exakt baugleich ist. Es kann sein, dass in Brunsbüttel keine akute Gefahr besteht. Und es kann natürlich auch sein, dass Brunsbüttel ein weiteres Sicherheitssystem hat. Aber die schlampige oder hinterlistige Informationspolitik des Energiemultis verdient eine angemessene Reaktion. In Deutschland kann die Betriebserlaubnis für ein AKW entzogen werden, wenn Zweifel an der Zuverlässigkeit des Betreibers aufkommen. Angesichts der möglichen Gefahren ist dies eine angemessene Konsequenz. Sie sollte auch für Vattenfall gelten.

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