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Wem es fehlt, wird’s genommen

SOZIALES Schuldenbremse und Sparpaket treffen arme Stadtteile deutlich überproportional. Der Paritätische Wohlfahrtsverband will deshalb Vermögende stärker zur Kasse bitten

Weil vor allem an Sozialleistungen gespart wird, trifft es den Bremer Westen besonders hart

VON JAN ZIER

1.500 Euro. Dieses Geld wird fehlen, und zwar jedem und jedes Jahr und das noch bis 2020. Zumindest wenn man in Gröpelingen, Ohlenhof oder Tenever wohnt. Hat man indes Glück und es nach Borgfeld, Oberneuland oder Schwachhausen geschafft, dann kommt man pro Kopf und Jahr mit gut 600 Euro davon. Das sind, nach heutigem Stand, die kumulierten Effekte aus Mindereinnahmen und Mehrausgaben, die einerseits durch das jüngste Sparpaket der Bundesregierung sowie andererseits durch die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse auf die BremerInnen zukommen. So hat es zumindest die Linke hochgerechnet, auf der Basis des „Atlas der Sozialkürzungen“ vom Paritätischen Wohlfahrtsverband (PWV), eigener statistischer Auswertungen sowie mit Hilfe eines Grundsatzpapiers des rot-grünen Senats zur Sparpolitik.

Die Schuldenbremse verpflichtet alle Bundesländer, ab 2020 keine neuen Schulden mehr aufzunehmen. Bremen muss bis dahin jährlich jeweils rund 100 Millionen Euro weniger ausgeben als zuvor. Die Folgen des Sparpaket für Bremen werden vom PWV auf insgesamt 38,6 Millionen Euro beziffert, also rund 75 Euro pro BremerIn und Jahr.

Das wiederum sind laut PWV schon gut 30 Euro mehr als im bundesweiten Mittelwert. Doch auch hier zeigt sich, dass arme Stadtteile in Bremen vom Sparpaket überproportional betroffen sind: Während Schwachhausen mit 23 Euro etwa auf dem Niveau Bayerns und Baden-Württembergs liegt, muss man in der Vahr, ähnlich wie übrigens in Berlin, mit gut 100 Euro weniger pro Kopf und Jahr rechnen. Und in Gröpelingen sogar mit 130 Euro.

Denn gekürzt wird im Sparpaket vor allem an den Sozialleistungen, eine vierköpfige Familie kann durch den Wegfall des befristeten Zuschlags auf das ALG II bis zu 600 Euro im Monat verlieren, rechnet die Linke vor, die Streichung des Elterngeldes für Erwerbslose könne zudem 300 Euro pro Monat kosten.

Weil der PWV aber auch errechnet hat, dass Menschen mit niedrigem Einkommen erheblich mit Steuern und Abgaben belastet sind, hat er jetzt ein 10-Punkte-Konzept zur Steuern- und Abgabenpolitik vorgestellt. Wer etwa 1.500 Euro im Monat brutto verdient, dem würden von jedem zusätzlich verdienten Euro rund 50 Prozent abgezogen, sagt Gerd Wenzel vom PWV. Menschen mit niedrigem Einkommen müssten deshalb so von Abgaben entlastet werden, dass sie nicht mehr auf ergänzende Sozialleistungen wie Hartz IV oder Wohngeld angewiesen seien – die jetzt noch gekürzt werden.

Der PWV fordert unter anderem, das Kindergeld „deutlich“ auf 277 Euro anzuheben – derzeit sind es 184 Euro für das erste sowie zweite Kind. Außerdem soll das steuerbefreite Einkommen von 667 auf 836 Euro monatlich angehoben werden. Diese Summe entspreche der offiziellen Armutsgrenze, so der PWV.

Zudem will der Verband das Ehegattensplitting abschaffen, Selbstständige und Beamte in die gesetzliche Sozialversicherung mit einbeziehen, Sonderregelungen für Minijobs abschaffen und einen allgemeinen Mindestlohn verankern. Zur Finanzierung all dessen will der PWV den Spitzensteuersatz von 42 auf 53 Prozent anheben, Erbschafts- und Körperschaftssteuer anheben und Zinseinnahmen einkommensabhängig versteuern.

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