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Bremen drückt die Bonus-Taste

Seit 2005 gibt es Prämien für Länder, deren Steuereinnahmen stärker steigen. Bremen geht dabei leer aus. Weswegen Bremer Wissenschaftler das Modell nun als Fehlkonstruktion kritisieren

von Klaus Wolschner

Bremen wird arm gerechnet, verlangt nicht Hilfe wie ein Bittsteller, sondern sein Recht, das wird Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) nicht müde zu wiederholen. Und die Experten sind sich einig: Der Länderfinanzausgleich, der dem, der sich anstrengt, fast alles wieder wegnimmt, um es dann gleichmäßig auf alle zu verteilen, muss reformiert werden. Ein erster Schritt dazu: das wachstumsorientierte „Prämienmodell“, in Kraft seit 2005. Jetzt hat die Bremer Forschungsstelle Finanzpolitik (FoFi) um den ehemaligen Finanzstaatsrat Günter Dannemann ausgerechnet, was Bremen davon hat: nichts. Ihre Schlussfolgerung: Das Modell muss verändert werden.

Nach der derzeitigen Bonus-Regelung werden Bundesländer „belohnt“, die gegenüber dem Vorjahr überdurchschnittliche Steuermehreinnahmen haben. 12 Prozent des überdurchschnittlichen Zuwachses sollen sie behalten können, erst danach greift der Verteilungsschlüssel, der in der Bundesrepublik die „Gleichartigkeit der Lebensbedingungen“ sichern soll. Das Problem: Die Bremer Steuereinnahmen stiegen von 2004 bis 2005 nur um 0,5 Prozent – zwei Prozentpunkte weniger als der Bundesdurchschnitt. Bremen gehört 2005 daher zu den Verlierern. Ganz oben steht das arme Thüringen mit 12 Prozent Steuerwachstum, Nordrhein-Westfalen kommt immerhin auf ein Plus von 5,4 Prozent.

Bei der originären Steuerkraft liegt Bremen gerade einmal bei 101 Prozent des Bundesschnittes, für eine westdeutsche Großstadt eigentlich wenig. Hamburg liegt bei 179 Prozent. Der Länderfinanzausgleich kehrt die Rangfolge weitgehend um: Bei den effektiven Steuereinnahmen, also nach der großen Umverteilung, liegt das arme Berlin ganz vorn, Bremen bekommt (pro Einwohner gerechnet) etwa so viel wie Hamburg zugesprochen, die ostdeutschen Länder liegen über dem Durchschnitt. Bezahlen müssen die reichen westdeutschen Flächenländer.

Das Prämienmodell sollte etwas Leistungsanreiz in dieses System bringen. Doch der Ansatzpunkt, kritisieren die Finanzwissenschaftler vom Bremer „FoFi“, sei zweifelhaft. Schließlich habe die Politik einer Landesregierung wenig Einfluss auf die Steuerkraft. Viel Einfluss hat sie dagegen auf die Wirtschaftskraft, deren Indikator: das Brutto-Inlands-Produkt (BIP). Wenn eine Landesregierung aus der Staatskasse Straßen baut oder in Universitäten „investiert“ und damit die Infrastruktur verbessert, erhöht das sofort das BIP, bringt aber im nächsten Jahr nicht mehr Steuermehreinnahmen. Mit Prämien belohnen solle man daher die Anstrengung, regt das FoFi an – und also das BIP zum Maßstab nehmen.

Kleiner Nebeneffekt: Dann sähe die Bilanz für Bremen auch vollkommen anders aus. Bei den BIP-Kennzahlen liegt Bremen mit 143 Prozent über dem Bundesdurchschnitt, sogar vor Flächenländern wie Bayern oder Hessen (119 Prozent). Und beim Wachstum des BIP liegt Bremen in der Gruppe der ersten sechs.

Das Phänomen, das die Wissenschaftler noch nicht erklären können: Ganz anders als im vergleichbaren Stadtstaat Hamburg führt in Bremen die hohe Wirtschaftskraft nicht zu hohen Steuereinnahmen. Das ist für die Landeskasse alarmierend. Besonders prekär: Auch die Anstrengungen Bremens zur Erhöhung der Wirtschaftskraft haben sich auf die Steuerkraft nicht merklich ausgewirkt.

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