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Hisbollah steht jetzt an der Baufront

Die Schiitenorganisation Dschihad al-Bina’a hat über 500 Freiwillige in 115 Städte und Gemeinden entsandt, um die Schäden an den Wohnhäusern zu registrieren. Ab nächster Woche will die Hisbollah Zimmermänner und Steinmetzen losschicken

AUS BINT DSCHBEIL MARKUS BICKEL

An den beiden Zapfsäulen der Total-Tankstelle von Bint Dschbeil ist seit ein paar Tagen Sprit wieder erhältlich. „Ich bin optimistisch, dass es keinen Krieg mehr gibt“, sagt der Besitzer, der schon am ersten Tag der Waffenruhe zwischen Israel und Libanon in die von Ruinen und Trümmerbergen gezeichnete Stadt im Südosten des Libanon zurückgekehrt ist. „Auch wegen der Zerstörung bin ich nicht böse – es ist ein Zeichen dafür, dass Bint Dschbeil gut verteidigt wurde.“ Vis-à-vis der kleinen Tankstelle steht eine rostige israelische Raketenabschussrampe, zurückgelassen von den feindlichen Truppen nach ihrem vollständigen Abzug aus dem Südlibanon im Mai 2000.

600 Häuser seien komplett zerstört worden, siebzig Prozent der Stadt von den 34 Tage dauernden israelischen Luftangriffen und Artilleriebeschuss betroffen, erklären zwei Angestellte der staatlichen Hilfsagentur „Rat des Südens“, die die Häuser südlich der Total-Tankstelle inspizieren. Erst mehr als eine Woche nach der seit Mitte August gültigen Waffenruhe machten sich die staatlichen Vertreter auf in die bis zu achtzig Prozent zerstörten Gemeinden im südlich des Flusses Litani gelegenen Grenzgebiet zu Israel.

Ihre Kollegen von der Wiederaufbauorganisation der Hisbollah, Dschihad al-Bina’a (Baukampf) waren da wesentlich schneller. Auf 19.000 bezifferte der Chef der 1984 gegründeten Organisation, Adnan Samuri, die Zahl der komplett zerstörten oder beschädigten Wohnungen im Süden des Landes, in den südlichen Beiruter Vorstädten der Dahye und in der Bekaa-Ebene.

Über 500 Freiwillige hätten in den vergangenen beiden Wochen in 115 Dörfern die Schäden begutachtet. 3.000 Familien, deren Häuser unbewohnbar seien, seien bereits entschädigt worden. Bis zu 12.000 US-Dollar für Miete und den Kauf neuer Möbel gibt die von Generalsekretär Hassan Nasrallah geführte „Partei Gottes“ an Hilfsbedürftige aus. Allein im Südbeiruter Stadtteil Dahye, das bis zum Beginn des Krieges das Hisbollah-Hauptquartier beherbergte, sind 182 Gebäude zerstört worden, 192 weitere wurden beschädigt.

„Von der nächste Woche an werden Dschihad-al-Bina’a-Teams, unterstützt von Vorarbeiten, Zimmermännern und Steinmetzen, in den Dörfern mit den Wiederaufbauarbeiten beginnen“, sagt Samuri. Experten gehen davon aus, dass der Iran der Hisbollah bis zu 150 Millionen US-Dollar für Betroffene zur Verfügung stellt. Zudem verfügt die Partei über nicht unerhebliche eigene finanzielle Reserven, die sich aus Kleinspenden eigener Anhänger, aber auch Großspenden vermögender Schiiten zusammensetzen.

Aber nicht nur der schiitische Bruderstaat Iran, der der Hisbollah finanziell unter die Arme greift, auch arabische Staaten kommen den Bewohnern von Bint Dschbeil und anderen südlibanesischen Gemeinden zu Hilfe. Nur ein paar Schritte von der Total-Tankstelle entfernt stehen drei Lastwagen mit Hilfsgütern aus den Vereinigten Arabischen Emiraten. Der kleine Golf-Staat Katar hat ebenfalls angekündigt, maßgeblich zum Wiederaufbau Bint Dschbeils beitragen zu wollen. Diese direkte Hilfe ist umso willkommener, als man nicht weiß, wie viel und wie schnell die heute in Stockholm tagenden Vertreter der internationalen Geberkonferenz zusammenbekommen werden.

Schon unmittelbar nach Kriegsbeginn waren Saudi-Arabien und Kuwait der Zentralbank in Beirut zu Hilfe gesprungen und hatten gemeinsam mit anderthalb Milliarden US-Dollar einen Absturz des libanesischen Pfund verhindert. Zwar ist in libanesischen Medien auch Kritik an der Zurückhaltung der arabischen Staaten während der Krise zu lesen. Doch Minister der Regierung von Premierminister Fuad Siniora und ihr nahestehende Politiker wie der Chef der Sozialistischen Fortschrittspartei, Walid Dschumblat, begrüßen ausdrücklich das regionale arabische Engagement.

Dabei nimmt die libanesische Regierung billigend in Kauf, dass die Wiederaufbauhilfe die konfessionelle Segregation des Landes weiter vertieft, indem Gelder vornehmlich an die jeweilige religiöse Klientel, seien es nun Sunniten, Maroniten oder Schiiten, vergeben werden. Schließlich verhindern die geringen staatlichen Ressourcen seit Jahrzehnten eine flächendeckende Versorgung der vier Millionen Einwohner. Schon 1988 erkannte das Innenministerium Dschihad al-Bina’a offiziell als Hilfsorganisation an. Auch das Gesundheitskomitee der Hisbollah sowie ihr Rettungskomitee wurden damals von der libanesischen Regierung registriert.

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