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Unter der Garage

aus Augsburg KLAUS WITTMANN

Der neuerliche bayerische Dönerfleischskandal in München ist noch nicht aufgearbeitet, da wird ein weiterer Fleischbetrug von internationalem Ausmaß aus Niederbayern und der Oberpfalz gemeldet. Am Freitag wurden dort in mehreren Kühlhäusern und einem illegalen Kühlraum unter einer Garage 40 Tonnen Fleisch sichergestellt. Dies sollte nach Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft Deggendorf über Holland nach Hongkong verschifft werden.

Der Betreiber ist ein 53-Jähriger, der nach Angaben der Staatsanwaltschaft Deggendorf eine Fleischzentrale mit Zerlege- und Schlachtbetrieb im niederbayerischen Metten sowie ein Kühlhaus in Regensburg unterhält. Allein dort haben Ermittler 37 Tonnen Fleisch sichergestellt. „Wir können noch nicht sagen, wie viel von dem Fleisch ungenießbar ist“, sagte Oberstaatsanwalt Alfons Obermeier. „Nur so viel: Es sind erhebliche Teile des sichergestellten Materials verdorben.“

Die Staatsanwaltschaft hatte die Fleischzentrale sowie die Kühlhäuser gemeinsam mit Veterinären sowie Polizei- und Zollbeamten durchsucht. Aufmerksam geworden waren die Behörden wieder durch einen Zeugenhinweis, wie es ihn auch in München gegeben hatte.

Als die Fahnder bei der Durchsuchung der Privatwohnung ein nichtgenehmigtes Kühlhaus unter einer Garage entdeckten, staunten sie über die Fleischberge: Über 1.000 Kilogramm gefrorenes Fleisch verschiedenster Sorten, darunter auch Wild, fanden sie allein hier. 3.500 Kilogramm waren es im Kühlhaus in Passau und 37.000 Kilogramm in Regensburg. Zum Teil lagert das Fleisch schon seit 2003.

Bei dem illegalen Kühlhaus stießen sie auch auf einen bereits beladenen Transporter, den die Polizei umgehend stoppte. Ob auch dieses Fleisch nach Hongkong gehen sollte, war bis Redaktionsschluss noch nicht geprüft.

Auch zum verdorbenen Fleisch in München, wo rund 30 Tonnen Dönerfleisch und knapp 40 Tonnen Enten- und Hühnerfleisch sichergestellt wurden, liefen bis gestern Abend noch die weiteren Überprüfungen bei möglichen Abnehmern der Münchner Firma Bruner KG. In zwei Betrieben wurde verdorbenes Fleisch in zunächst nicht genannter Menge sichergestellt.

Der Sprecher der Staatsanwaltschaft München I, Christian Schmidt-Sommerfeld, sagte, man habe bisher keine konkrete Gesundheitsgefährdung festgestellt – obwohl das Haltbarkeitsdatum des Fleisches zum Teil schon vier Jahre abgelaufen war. Es wurde auch noch kein Haftbefehl erlassen. Die betroffene Firma war bislang zu einer Stellungnahme nicht bereit.

Beim Rundfunksender Antenne Bayern hat sich unterdessen ein Zeuge gemeldet, der seinen Namen nicht öffentlich genannt haben wollte. Er berichtete, er habe vor zwanzig Jahren bei der Münchner Firma Bruner KG als Aushilfsfahrer gearbeitet. Schon damals sei Fleisch umetikettiert worden. „Ich bin in ganz Deutschland herumgefahren“, sagte er. Dabei sei es gang und gäbe gewesen, dass Ware zurückgegeben wurde. „Die wurde dann neu etikettiert, denn wer wirft schon 24 Tonnen Putenschnitzel weg?“ Einmal habe er eine Ladung Hühnerkeulen zurückgebracht, „die gingen dann runter zu Bruner in den Keller“. Dort hätten dann schon „osteuropäische Frauen“ gesessen – „die haben dann die ganzen Sachen aus- und wieder eingepackt“.

Die Grünen im Bayerischen Landtag kritisieren angesichts der neuerlichen Fleischskandale Bayerns Verbraucherschutzminister Werner Schnappauf (CSU). Er habe aus den zurückliegenden Fällen keinerlei effektive Konsequenzen gezogen und den Bürgern stattdessen nur eine Scheinsicherheit vorgegaukelt. Fraktionschef Sepp Dürr erklärte: „Der neue Gammelfleischskandal zeigt, dass im bayerischen Kontrollsystem Lücken klaffen.“ Nur durch einen Insiderhinweis seien die Behörden aufmerksam geworden. Umweltminister Schnappauf erklärte, man werde mit aller Härte und Konsequenz gegen die Verursacher der ganz aktuell aufgedeckten Verstöße gegen das Lebensmittelrecht vorgehen. Der respektlose Umgang mit Lebensmitteln zeige „eine moralisch verwerfliche Grundhaltung der Beteiligten“. Schnellstmöglich müsse nun ein Verbraucherinformationsgesetz verabschiedet werden.

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