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Das falsche Pferd

Wenig Neues, wenig Lustiges und auch noch wenig Zuschauer: Die WDR-Programmoffensive für ein jüngeres Publikum ist schiefgegangen

Aus Düsseldorf Boris R. Rosenkranz

Immerhin: Mit im Schnitt 61 Jahren ist der klassische WDR-Zuschauer jünger als Fritz Pleitgen, der Chef des Senders. Pleitgen wird in zwei Jahren 70 und hätte eigentlich bald seinen Kölner Intendantensessel mit Dom-Blick räumen sollen. Rente. Weltreise. All das hätte den früheren Auslandskorrespondenten erwartet. Doch Pleitgen will nicht. Er will Chef bleiben. Und während er das nicht zugibt, versucht der WDR, wenn schon keinen jüngeren Intendanten, zumindest ein jüngeres Publikum zu erhaschen. Was aber auch nicht klappen will.

Die Urlaubszeit ist natürlich geradezu ungeeignet, eine junge Zielgruppe zu erreichen. Aber es ist nun mal Tradition beim WDR, das Sommerloch nicht mit Wiederholungen zu stopfen, sondern mit frischen Formaten. Jahr für Jahr wird im Dritten experimentiert. 1996 entsprang dieser öffentlich-rechtlichen Teststrecke etwa die von Christine Westermann und Götz Alsmann verwaltete Promi-WG „Zimmer frei“. Die steht bei Kritik und Publikum gleichermaßen in der Gunst, läuft deshalb immer noch und wurde inzwischen gar mit dem Grimme-Preis dekoriert.

„Zimmer frei“ ist allerdings eine edle Ausnahme, was das diesjährige Testprogramm unter dem Titel „Der neue Sommer“ abermals belegt. Zwölf Sendungen hat der WDR seit Mitte Juli über den Sender gejagt, Sendungen, „in die unsere Redaktionen all ihr Können und Herzblut gesteckt haben“ – sagt der WDR. Und verschweigt, dass nicht alles komplett aus dem eigenen Hause stammt. Das „NRW-Duell“, eine Raterunde, in der Regional-Prominenz ihr Landeswissen beweisen sollte, war etwa eine Auftragsproduktion und geriet obendrein nur mäßig originell.

Zudem ist nicht alles neu, was der WDR als solches verkauft: Bei „Der große Finanz-Check“ verhilft ein graumähniger Groschenzähler namens Michael Requardt klammen Menschen zu mehr Zaster. Man kennt das und Requardt von ProSieben. Vielleicht deshalb die relativ gute Quote.

Aber gut, mit der Jugendoffensive hatten diese Formate wenig zu tun. Dafür waren andere zuständig: Sabine Heinrich, Olli Briesch, Thorsten Schorn. Alles junge Radiomoderatoren der WDR-Jugendwelle Eins Live, die nun auch im Fernsehen lustig sein wollen, es aber meistens nicht sind. Olli Briesch versuchte sich an einem komischen Tagesrückblick ( „Für heute – Danke!“) und hangelte sich planlos von Gag zu Gag. Und an der Seite von Sabine Heinrich quatschte Thorsten Schorn, dessen feuchter Herrenhumor allenfalls den ergrauten WDR-Glotzer erfreut. Was auch die Zahlen belegen: „Schorn & Heinrich“ sollten mit Plüsch und Plastik ein junges Publikum binden – das Durchschnittsalter ihrer Zuschauer lag dann bei Anfang 50. Drunter schaffte es keine neue Sendung. Na ja: Von 61 auf Anfang 50. Es geht bergauf.

In ein bis zwei Wochen will der WDR entscheiden, welche Sendung dauerhaft ins Programm gehoben wird. Hier gibt es verschiedene Horrorszenarien: Es könnte zum Beispiel sein, dass der Doppeldoktor Rainer Erlinger, ein Schlaubayer vor dem Herrn, weiterhin so drängende Gewissensfragen klären darf, wie die, ob man als Fußgänger nachts um drei auf einer gottverlassenen Straße über eine rote Ampel gehen darf. Oder „Auf acht Hufen durch das Ruhrgebiet“ läuft weiter, eine Sendung, in der zwei blonde Töchter hoch zu Ross durchs Ruhrgebiet hoppeln, was in etwa so spannend ist wie eine ausgedehnte Radtour mit dem Heimtrainer.

Aber falls sie es nicht wussten: „Reiten ist ein großes Thema unter jüngeren Zuschauern.“ Das hat WDR-Programmdirektor Ulrich Deppendorf vor zwei Monaten im taz-Interview gesagt. Unter Berufung auf eigens eingerichtete Gremien wie die AG Innovation, wo die dringend notwendige Verjüngungskur ausgeheckt wurde, die anschließend nicht geklappt hat: Die Marktanteile lagen unter zehn Prozent, zum Großteil weit darunter. Über das Durchschnittsalter hatten wir ja schon gesprochen.

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