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„Nazis sind wie lästige Insekten“

Die Jugend ist überhaupt nicht mehr politisch, meint der Hamburger Musiker Denyo. Statt an Handys rumzuspielen, sollte sie sich engagieren und zur Wahl gehen. Heute tritt er mit seiner Band in Schwerin bei „Laut gegen Rechts“ auf

taz: Am Sonntag kommt die NPD in den mecklenburg-vorpommerschen Landtag. Was fühlen Sie dabei?

Denyo: Mir geht’s genauso wie den Medien. Vor zehn Jahren wäre es wahrscheinlich das große Thema gewesen, heute gibt’s zwei Schlagzeilen. Man ist besorgt und denkt „oh Gott!“, aber auf der anderen Seite geht man damit um wie mit lästigen Insekten. Man haut drauf, kratzt sich und dann macht man weiter.

So einfach ist das aber nicht.

So ist aber das erste Empfinden. Auf der einen Seite entsetzt und überrascht, auf der anderen Seite hat man sich damit abgefunden zurzeit.

Hatten Sie als Afro-Deutscher Probleme mit Nazis?

Die hatte ich natürlich mit Skinheads, Hooligans, aber auch mit Türken, die ein Problem damit hatten, dass ich schwarz bin. Das waren aber nie lebensbedrohliche Situationen. Hamburg ist da entspannt. Ich glaub im Osten müsste ich schauen, wo ich hingehe, da würde ich mich an manchen Orten meines Lebens nicht sicher fühlen.

Heute Abend sind Sie im Osten – in Schwerin beim Konzert „Laut gegen Rechts“. Was erhoffen Sie sich?

Ich hoffe, ich kann musikalisch was bewegen. Ich versuche geile Musik zu machen und dabei Sachen zu erzählen. Das Problem bei solchen Konzerten ist, dass man vor Leuten spielt, die einer Meinung sind. Vielleicht erreiche ich ja ein paar, für die die NPD noch kein Thema ist, die sich keine Gedanken machen. Das schaffen zu wollen, ist aber schwierig – utopisch vielleicht sogar.

Wollen sich die Leute überhaupt von einem Westler belehren lassen?

Ich versuch gar nicht die Leute zu belehren. Ich sag, was mir nicht passt.

Vielleicht müsste man mal nicht gegen Nazis, sondern für bessere Parteien rappen?

Das müsste man, wenn man sagt, man ist eine politische Band.

Sind die Denyos eine politische Band?

Die Denyos sind in erster Linie eine geile Band. Wir haben schon immer politische Musik gemacht, aber ich bin nicht jemand, dessen Image davon lebt.

Ist die Jugend unpolitischer geworden?

Die sind überhaupt nicht mehr politisch. Als ich 16 war, hatten wir noch Ideen wie „Ich will die Welt verbessern“. Wenn du heute 16 bist, gibt’s nur dein Handy, deine Klamotten, 50 Cent, Eminem und deine Freundin. Mein kleiner Bruder ist jetzt 16 und nicht dumm oder so, aber vielleicht repräsentativ für die nächste Generation. Deswegen ist es gut, dass hoffentlich auch 16-Jährige vor der Bühne stehen.

Das Problem ist nicht nur, dass die NPD gewählt wird, sondern dass viele gar nicht erst wählen gehen.

Da bringt es nichts, den 135. antifaschistischen Text zu schreiben oder zu sagen was scheiße läuft, deswegen mach ich das auch nicht. Viele denken „Meine Stimme zählt nicht – ist ja eh egal! Außerdem hab ich keine Zeit“. Jeder muss aber das Gefühl haben „Ich hab‘s in der Hand“. Dass ist dann zwar dieses scheiß „Du bist Deutschland“-Prinzip, aber nicht mit der Intention, die Leute zu verarschen, ihnen das Arbeitslosengeld zu kürzen und zu sagen „Hey, du bist Deutschland – kümmer dich selbst um dein Leben“, sondern zu sagen: „Versucht was beizutragen!“. Und das ist, was ich morgen sagen werde.

JOHANNES HIMMELREICH

Heute ist Denyo bei „Laut gegen Rechts“ auf der Schweriner Marstallhalbinsel neben Silbermond und anderen Musikern zu sehen. Einlass ab 15 Uhr. Beginn:17.30 Uhr. Eintritt frei.

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