die unparteiischen (12 und Schluss): dorothea härlin, attac: Hat die Globalisierung das Abgeordnetenhaus entmachtet?
Am Sonntag wird gewählt. Die wirklichen Fragen hat die Politik ausgeklammert. Die taz stellt sie – und lässt Unparteiliche antworten.
Woher kommt eigentlich die vielbeschworene „Globalisierung“? Ist sie eine wirtschaftliche Notwendigkeit? Oder ist sie nicht vielmehr von transnationalen Konzernen im Einklang mit Parteien und Regierungen so gewollt – ohne Rücksicht auf soziale und ökologische Folgen?
Am Beispiel der Berliner Wasserversorgung lässt sich dies gut zeigen: Die bis dahin gewinnbringenden Berliner Wasserbetriebe (BWB) wurden 1999 zu 49,9 Prozent an RWE und Veolia, zwei auch im Wassersektor weltweit agierende Global Player, verkauft. Zentrale Bedingung: Mindestens acht Prozent Rendite mussten – abgesichert über den Berliner Haushalt – für die Aktionäre garantiert werden, egal wie das Unternehmen läuft. 50,1 Prozent Anteil an den Wasserbetrieben verblieben der öffentlichen Hand. Die Geschäftsentscheidungen liegen jedoch per Vertrag zu 100 Prozent bei den Privaten. Damit sind sie der parlamentarischen Kontrolle entzogen!
Wer zwang die damalige Finanzsenatorin Fugmann-Hesing (SPD) 1999 zu einem Verkauf unter derart schlechten Bedingungen? Derzeit lächelt sie wieder von Wahlplakaten, als wolle sie sagen: „Wählt mich, denn der Ausverkauf Berlins ist noch nicht vollendet!“ Ihr Hauptargument damals war die Haushaltssanierung, genaues Nachrechnen ergibt aber: Bis Vertragsende 2028 zahlt Berlin weit mehr als für einen sofortigen Rückkauf der Wasserbetriebe. Über einen solchen Rückkauf macht man sich inzwischen beim „Berliner Wassertisch“ Gedanken. Das Problem: Es fehlen die Daten aus einem geheimen Zusatzvertrag. Trotz einem Wirtschaftssenator mit linkem Anspruch, trotz einer Klage des Haus- und Grundbesitzervereins, der Vertrag mit den beiden Konzernen ist der öffentlichen Kontrolle entzogen!
Durch Informationen und Aktionen ist es mittlerweile gelungen, das Problem der Wasserprivatisierung auf die Straße zu tragen. Der Film „Wasser unter’m Hammer“ wurde an der Außenfassade der Berliner Wasserbetriebe und in vielen Kinos gezeigt. Beim Wasserfest der BWB zu 150 Jahre Wasser Berlin im Wannseebad gelang es den Sicherheitskräften, die Flugblattverteiler erst rauszuwerfen, als die meisten Badegäste informiert waren. Der „Berliner Wassertisch“ überlegt weitere Aktionen, damit die Rekommunalisierung des Berliner Wassers doch noch Wirklichkeit wird.
Die Antwort auf die Ausgangsfrage kann anhand dieses Beispiels nur lauten: Nicht die Globalisierung hat das Berliner Abgeordnetenhaus entmachtet. Dadurch, dass öffentliche Güter zu Bedingungen an Global Player verschleudert werden, die den Haushalt weiter be- statt entlasten, entmachten sich die Abgeordneten zusehends selbst.
Ich denke, die vorherrschende Meinung, dass Private effektiver, billiger, besser arbeiten, muss durchbrochen werden. Denn Studien belegen, dass dies nicht so ist. Die Kehrseite der angeblich gesteigerten Effektivität – wie das Beispiel Wasser zeigt – ist der Abbau von Arbeitsplätzen, die Vernachlässigung der Infrastruktur und der Wasserqualität sowie Preiserhöhungen von derzeit 30 Prozent.
Unter dem Motto „Global denken, lokal handeln!“ versucht der „Berliner Wassertisch“ ein Umdenken gegen den neoliberalen Privatisierungskurs in Bewegung zu setzen. Bis das in die Köpfe von Politikern gelangt, haben wir außerhalb der Parlamente noch viel zu tun!
Morgen stellt der Wahlzettel die entscheidenden Fragen. Eine Antwort müssen Sie selber finden
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