: Unter Liberalismus-Verdacht
VISIONEN II Die Thalia-Rede von Bürgermeister Olaf Scholz bringt seine Partei in Bedrängnis
Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) habe mit seinem „Kurswechsel in der Flüchtlingspolitik liberale Positionen übernommen“, freut sich die FDP-Fraktionsvorsitzende Katja Suding. In seiner „Grundsatzrede“ am Mittwoch im Thalia Theater hatte Scholz ein Quotenmodell für eine Verteilung von Flüchtlingen innerhalb der EU aufgegriffen. Einen entsprechenden Antrag der FDP hatte die SPD-Mehrheit in der Bürgerschaft noch im Februar abgelehnt. Suding kündigte nun an, ihren Antrag erneut ins Parlament einzubringen – die SPD-Fraktion könne wohl kaum gegen ihren eigenen Bürgermeisters stimmen. Zudem wird das Thema am Mittwoch in der Aktuellen Stunde der Bürgerschaft behandelt.
Scholz hatte eine Verteilung von Flüchtlingen in den EU-Ländern nach Bevölkerungszahl und Wirtschaftskraft befürwortet. Damit würden im Grundsatz Staaten an den südlichen Außengrenzen der EU entlastet, wo besonders viele Flüchtlinge ankommen. Das entspräche der „gemeinsamen Verantwortung aller europäischen Staaten für Flüchtlinge aus Drittstaaten“, sagte Scholz. Danach müssten etwa Großbritannien, mehrere skandinavische und osteuropäische Länder sowie Italien mehr Flüchtlinge als zurzeit aufnehmen. Deutschland hingegen erfüllt demnach schon seinen Anteil von 16 Prozent.
Einen „fairen Verteilungsschlüssel“ hatte die FDP über eine Bundesratsinitiative erreichen wollen, zu der sie den Senat aufforderte. Vorbild wäre das Verfahren, nach dem Asylbewerber in Deutschland auf die Bundesländer verteilt werden. Nun will Suding das Thema wieder auf die parlamentarische Tagesordnung setzen – um die SPD zu einer „liberalen Flüchtlingspolitik“ zu ermuntern. SMV
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