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PRESS-SCHLAGDer Sport und seine Schlingel

BESTECHUNG Die aktuellen Skandale um Fifa und Uefa zeigen wieder mal, wie nötig der Sport eine Anti-Korruptions-Behörde hätte

Wollte sich Ermittler Limacher an einen Fall wagen, der den Uefa-Oberen zu heiß ist?

Es gibt ihn ja schon länger, den Vorschlag, eine internationale Anti-Korruptions-Behörde für den Sport zu gründen. Die hätte dann ähnlich wie die Welt-Antidopingbehörde Wada die Oberaufsicht über Schlingel, Trickser und böse Buben. Wenn Sportfunktionäre gefragt werden, ob sie so eine Behörde unterstützen würden, dann sagen sie gerne mal ins Mikrofon: „Ja, warum eigentlich nicht“. Geht es aber konkret um die Umsetzung des Plans, dann tut sich nichts.

Doch dass so eine Institution eine Daseinsberechtigung hätte, zeigen zwei aktuelle Fälle im Fußballfunktionärswesen. Der eine betrifft den Weltverband Fifa (siehe taz vom 22. 10.), in den anderen ist der europäische Verband Uefa verwickelt.

Hier wie da geht es um käufliche Amtsträger. Die Bestechlichkeit von Fifa-Exekutivmitgliedern ist dank der englischen Zeitung Sunday Times gut dokumentiert, bei der Uefa ist die Lage etwas verzwickter. Ein zyprischer Fußballfunktionär namens Marangos behauptet, im Besitz von brisanten Dokumenten zu sein. Sie sollen beweisen, dass es bei der Vergabe der Europameisterschaft 2012 an Polen und die Ukraine nicht mit rechten Dingen zugegangen sein soll. Elf Millionen Euro sollen über dunkle Kanäle an vier Uefa-Funktionäre geflossen sein, die größte Tranche habe 3,15 Millionen betragen. 2007 hatte der Kontinantalverband das EM-Turnier mit 8:4 Stimmen an die Osteuropäer vergeben, der Favorit Italien hatte das Nachsehen.

Die Süddeutsche Zeitung berichtete am Samstag exklusiv über den Fall. Besagter Zyprer hatte sich nach Informationen der SZ mit der Uefa in Verbindung setzen wollen, um über die Vorgänge, die wohl im Hinterzimmer einer zyprischen Anwaltskanzlei abgewickelt wurden, zu berichten. Doch wie es aussieht, wurde auf sein Wissen kein Wert gelegt. Zwar hätte es um ein Haar am 24. August in Genf ein Treffen mit Uefa-Chefermittler Limacher gegeben. Doch der musste den Termin vier Tage vorher platzen lassen. „Auf Wunsch meiner Vorgesetzten muss ich unser Treffen nächsten Dienstag absagen“, schrieb Limacher per Mail an den Zyprer, „falls Sie Ihr Flugticket gebucht haben, übernehmen wir die Stornogebühr gegen Quittung.“

Das Ganze ging so weit, dass Limacher, der sich auch auf dem weiten Feld des Wettbetrugsrechts erfolgreich umgetan hat, aktuell nicht mehr Chefermittler der Uefa ist. Hatte er sich an einen Fall wagen wollen, der den Uefa-Oberen zu heiß ist?

Uefa-Generalsekretär Infantino hat am Wochenende zunächst bestritten, Kenntnis von dem Fall zu haben. Sinngemäß ließ er wissen, die Uefa könne sich ja nicht um jeden in den elektronischen Postkasten geworfenen Brief kümmern – und Marangos kenne er auch nicht. Infantino hat wohl gelogen, denn die SZ präsentierte in ihrer Ausgabe vom Montag ein Dokument, das Infantinos Aussage widerlegt. Er wusste sehr wohl von den Vorwürfen.

Marangos dürfte selbst für Uefa-Präsident Platini kein Unbekannter sein, jedenfalls gibt es Bilder, auf denen die beiden Hände schütteln. Nun präsentierte er ein Fax, das ihm Infantino am 18. Juni geschickt hatte. Der Uefa-Generalsekretär schreibt: „Wir beziehen uns auf Ihre Faxe vom 20. Mai und 12. Juni an den Uefa-Präsidenten und entschuldigen uns für die Verspätung, die dem Umstand geschuldet ist, dass der Präsident in den letzten Wochen viel auf Reisen war.“ Er bat um „mehr Details, damit die Disziplinardienste der Uefa sich ihr Bild machen können“. Alles sei „strikt vertraulich“ zu behandeln. Und genau das ist der Punkt, an dem eine Anti-Korruptions-Behörde zum Einsatz kommen müsste. Ihr ginge es darum, aufzuklären und nicht zu vertuschen. Sie wäre unabhängig genug, um über Funktionäre zu urteilen – über eine Kaste, die sich momentan ihre Rechtsmaßstäbe noch weitestgehend selbst zurechtlegt.

MARKUS VÖLKER

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