: Reich oder sexy
BERLIN VS. HAMBURG Sie sind die beiden größten deutschen Städte, Orte von Kultur und Zentren linker Szene: Hamburg und Berlin. Als Sehnsuchtsorte für viele neigen sie zur Selbstüberschätzung. Ganz groß sind sie aber auch im Scheitern. Eine Gemeinschaftsproduktion der taz.berlin und der taz.nord ➤SEITE 42–45
VON JAN KAHLCKE (HAMBURG) UND BERT SCHULZ (BERLIN) ILLUSTRATIONEN OLIVER SPERL
Wer in Deutschland „Stadt“ sagt, meint Hamburg oder Berlin. Klingt arrogant, ist aber die Wahrheit.
Hamburg und Berlin sind die Orte in Deutschland, an denen es gesellschaftlich vorangeht: wo Ideen entstehen und ausprobiert werden – und gern auch mal scheitern.
Dann aber so richtig.
Hamburg und Berlin sind die Orte, an denen ohne Kultur nichts geht. Und zwar von Sub-sub-sub bis hin zum bräsigsten Opernspielplan.
Beide Städte sind Sehnsuchtsorte für ganze Generationen: Die Mauerstadt Westberlin lockte die Verweigerer und Aussteiger in den 80ern, Hamburg mit seiner Polit- und Musikszene war in den 90ern unvermeidlich, Berlin lässt seit den 00er Jahren die Teens und Twens der ganzen Welt einfliegen.
Natürlich gibt es Ausnahmen. Sicher hat München mehr Wirtschaftspower. Aber leider liegt es in Bayern, mehr muss dazu nicht gesagt werden. Na gut, Köln hatte mal die Popkomm, aber die wurde in Berlin beerdigt.
Und es gibt die Käffer, die ab und an wie Sternchen am deutschen Städtehimmel auf- und dann wieder verglühen. Bayreuth hat Wagner, Oberhausen sein Filmfestival, Weilheim eine innovative Musikszene. Will jemand was zu Stuttgart, Dortmund, gar Frankfurt sagen? Wir hören nichts.
Bisweilen führt diese Einsamkeit an der Spitze in beiden Städten zu einer – sagen wir es ruhig – gewissen überheblichen Selbstzufriedenheit. Dabei kann Berlin zum Beispiel keinen Flughafen bauen, Hamburg keinen Konzertsaal. Der Rest der Republik lacht darüber. Aber ganz ehrlich: Das ist der Neid. Etwa darüber, dass aus der Kritik keine Konsequenzen folgen. Es wird einfach weitergebaut, auf ein paar Millionen Euro kommt es da nicht an.
Es ist kein Zufall, dass die taz – neben Bremen – ausgerechnet an diesen Orten ihre Lokalredaktionen hat. Wir sind halt gern da, wo etwas passiert. Und auch in dieser Hinsicht haben Hamburg und Berlin viel gemeinsam: SPD-Regierungschefs versuchen sich im Kampf gegen Gentrifizierung und Pannenbaustellen, in beiden Städten ist viel Musik drin, beide sind nah am Wasser gebaut.
Eine Frage allerdings konnten wir bisher nicht beantworten: Wenn es nur noch um Hamburg oder Berlin geht – wer ist dann die Nummer eins?
Möge die Bessere gewinnen!
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