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Büchereien warten auf eine Neuauflage

Leserunden, Internetkurse, Nachhilfe: Die Büchereien in Mitte begreifen sich längst als Bildungseinrichtungen. Ein Konzept zur Stärkung und Vernetzung aller öffentlichen Bibliotheken Berlins gibt es auch schon – es müsste nur noch beschlossen werden

von Kathrin Schrader

In der Märchenecke der Philipp-Schaeffer-Bibliothek lauschen die Stadtfüchse der Geschichte von Warwolf. Warwolf ist ein Junge, der in der Wildnis aufwächst, eines Tages zu den Menschen zurückkehrt und mühsam deren Sprache erlernt. Den Stadtfüchsen geht es ein bisschen wie ihm: Lesen und Schreiben fallen ihnen schwer. Hier in der Märchenecke versammeln sie sich einmal in der Woche zum Zuhören, Schreiben, Malen und Lesen. Es sind Mädchen und Jungen der Kastanienbaum-Grundschule, zwischen 8 und 9 Jahren alt.

Die Stadtfüchse haben das Glück, in Mitte zur Schule gehen. Wie in kaum einem anderen Bezirk arbeiten die Bibliotheken hier mit Kitas und Schulen zusammen, bieten Märchenstunden, themengebundene Kurse und Nachhilfe für alle Altersstufen an. Die Fahrbibliothek macht an jedem Schulhof einmal in der Woche halt. In zwei Jahren werden die Lesefüchse in der Schaeffer-Bibliothek lernen, wie man im Internet und im Büchereibestand recherchiert.

Ganz zufrieden ist Jörg Arndt, Leiter des Bibliotheks- und Kulturamts Mitte, trotzdem nicht. Arndt, der auch im Vorstand des Berliner Landesverbands im Deutschen Bibliotheksverband (DBV) sitzt, wünscht sich einen einheitlichen Leistungsstandard bei der Kooperation zwischen Schulen und Bibliotheken – für alle Bezirke. „Bisher ist die gute Zusammenarbeit zwischen Kitas, Schulen und Bibliotheken noch von Zufällen abhängig“, sagt er. Sein Anspruch: Die Bibliotheken sollen als Bildungseinrichtungen wahrgenommen werden, Rückendeckung vom Senat bekommen und stärker in den Fokus der Schulpolitik rücken. Das Problem: Die Bibliotheken unterstehen nicht der Schul-, sondern der Kulturverwaltung.

Die Realität in vielen Bezirksbibliotheken ist von Arndts Leitbild weit entfernt: verstaubte Bestände, ungemütliches Mobiliar, überaltertes Personal, zu wenig Möglichkeiten, den Laptop anzudocken. Neu ist das alles nicht. Doch seit eine Expertenkommission im Sommer 2005 urteilte, dass Bestände und Ausstattung einer Hauptstadt unwürdig seien, lassen sich Ansätze einer Bewegung beobachten.

Eine Arbeitsgruppe aus Kulturstadträten und Kulturamtsleitern traf sich, um Berlins öffentliche Bibliotheken, vorerst auf dem Papier, neu zu ordnen. Heraus kam das „Olympia-Modell“: Nach dem Motto „Dabei sein ist alles“ soll der bereits bestehende Service-Verbund der Öffentlichen Bibliotheken Berlins (VÖBB) eine neue Rechtsform erhalten und überbezirklich handeln können. Mitglieder müssten sich bestimmten Standards verpflichten, bei Nichteinhaltung drohen Sanktionen. Sie alle würden von der gemeinsamen Arbeit des VÖBB profitieren. Wer in Neuanschaffungen investiert, wird mit einem Bonus belohnt. Mit 1,7 Millionen Euro pro Jahr wäre der Senat dabei.

Ende Juni sollte der Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses über die Umsetzung des Olympia-Modells beraten, doch dann kippte ein vermeintlich aktuelleres Problem den letzten Punkt der Tagesordnung. Es folgte die Sommerpause, es folgte die Wahl, es folgen Koalitionsverhandlungen. Das „Olympia-Modell“ liegt auf Eis.

Würde Berlin durch „Olympia“ noch mehr schöne Büchereien wie die Philipp-Schaeffer-Bibliothek bekommen? Wären plötzlich alle Bibliothekare so ideenreich wie die in Mitte? Könnten noch mehr schlaue Stadtfüchse durch heutige Problemviertel streifen? „Ich sehe eine Menge Potenzial“, sagt Jörg Arndt. „Wenn ich allein die Arbeitsgänge in der Buchbeschaffung und im Mahnwesen betrachte, ist heute vieles redundant.“ Das Personal könnte besser für die Beratung der Besucher eingesetzt werden, für die Betreuung von Jugendlichen oder für die Drittmittelakquise, findet der Bibliotheksamtsleiter und bemüht einen internationalen Vergleich: „Die New York Library hat allein 40 Leute, die im Fundraising arbeiten.“

Apropos New York: Jörg Arndt kommt ins Schwärmen, wenn er an die Bibliotheken in anderen Metropolen wie Amsterdam, Paris oder Stockholm denkt: „Die haben im Schnitt 30.000 bis 50.000 Quadratmeter Fläche.“ Das Flaggschiff der Berliner öffentlichen Bibliotheken, die Amerika-Gedenkbibliothek, am Halleschen Tor, bietet den Nutzern ihre Bestände auf gerade mal 1.700 Quadratmetern an.

Heute ist der 11. „Tag der Bibliotheken“. Immer am 24. Oktober machen deutsche Büchereien mit Sonderveranstaltungen auf sich aufmerksam. In Berlins öffentlichen Bibliotheken gibt es dieses Jahr keine derartigen Angebote

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