: Entscheidende Runde am Hindukusch
AFGHANISTAN Nach den noch vorläufigen Wahlergebnissen liegt Abdullah Abdullah im Rennen um die Präsidentschaft klar vor Aschraf Ghani. Doch ist der Ausgang der Stichwahl am 7. Juni völlig offen
KABUL dpa/afp/taz | Bei der Präsidentschaftswahl in Afghanistan gehen der frühere Außenminister Abdullah Abdullah und der ehemalige Weltbank-Ökonom Aschraf Ghani Anfang Juni in die Stichwahl. Unter den acht Kandidaten der ersten Wahlrunde hätten sie die meisten Stimmen erhalten, teilte die unabhängige Wahlkommission am Samstag unter Berufung auf das vorläufige Endergebnis mit. Die UNO begrüßte das Ergebnis, forderte aber eine rasche Prüfung von Fälschungsvorwürfen.
Nach Angaben der Wahlkommission kam Abdullah im ersten Wahlgang am 5. April mit 44,9 Prozent der Stimmen auf den ersten Platz, Ghani folgte mit 31,5 Prozent. Die anderen sechs Kandidaten waren weit abgeschlagen. Da keiner der Kandidaten die absolute Mehrheit erhielt, gehen die beiden Erstplatzierten nun in die Stichwahl. Diese soll am 7. Juni stattfinden. Sowohl Abdullah als auch Ghani kündigten an, bis zum Ende kämpfen zu wollen.
„Unser Glaube an den Sieg ist weiter stark“, sagte Ghani vor Anhängern in Kabul. „Das Votum des Volkes sagt mir, mit niemandem ein Abkommen hinter den Kulissen zu schließen.“ Es war zuvor spekuliert worden, dass Abdullah und Ghani sich auf eine Teilung der Macht einigen könnten, um so eine Stichwahl zu vermeiden. Der 64-jährige Exfinanzminister Ghani zeigte sich zuversichtlich, dass sich bei der Prüfung der mehrere hundert eingereichten Beschwerden der Abstand zwischen ihm und Abdullah verringern werde. Die Prüfung durch die Wahlkommission soll bis zum 14. Mai abgeschlossen sein. Dann wird auch das amtliche Endergebnis verkündet.
Abdullah (60) ist der einzige Halbtadschike unter den Kandidaten, alle anderen Bewerber gehören der größten Volksgruppe der Paschtunen an. Bei der Präsidentenwahl 2009 unterlag der Augenarzt gegen Karsai, unter dem er bis 2006 Außenminister war. Ghani (64) war bis 2004 Finanzminister in Karsais Übergangsregierung. Auch Ghani trat 2009 gegen den Amtsinhaber an, bekam aber nur 3 Prozent der Stimmen.
Die UN-Mission in Afghanistan begrüßte das Ergebnis, rief aber auch die Wahlkommission auf, alle Beschwerden „professionell, schnell und auf offene Weise“ zu prüfen. Die letzte Präsidentenwahl 2009 war von Vorwürfen der massiven Fälschung geprägt, die letztlich dazu führten, dass sich Abdullah, der auf dem zweiten Platz gelandet war, aus der Stichwahl gegen Amtsinhaber Hamid Karsai zurückzog. Abdullah oder Ghani folgen Präsident Hamid Karsai nach, der Afghanistan seit dem Sturz des Taliban-Regimes Ende 2001 regiert und nach zwei Amtszeiten laut Verfassung nicht erneut antreten durfte.
Laut der Wahlkommission nahmen am ersten Wahlgang trotz Drohungen der Taliban-Rebellen fast 7 der geschätzten 13,5 Millionen Stimmberechtigten teil. 36 Prozent der Wähler waren demnach Frauen. Auf den künftigen Präsidenten kommen schwere Aufgaben zu: Mit dem Abzug der internationalen Kampftruppen Ende des Jahres droht eine weitere Gewalteskalation der Taliban.
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