piwik no script img

Angriff auf ein Heiligtum

KONKURRENZ Sind Japaner die besseren Schotten? Ja. Zumindest räumen Whiskys aus Nippon zurzeit alle Preise ab. Wie konnte das passieren?

Gute japanische Whiskys

Nikka all Malt, um 26 Euro. Für Einsteiger. Nikka Whisky von der Insel Hokkaido. Schmeckt malzig, nach kandierten Früchten, mit einer dezenten Tabaknote.

Yamazaki 10 Years, um 42 Euro. Von der Destillerie Yamazaki, die zu Suntory gehört. Hat ein klares und frisches Aroma aus Melone, Pfirsich, Zimt und Vanille. Am Gaumen hat er nussige Holzaromen.

Nikka from the Barrel, um 42 Euro. Hat schon zweimal den World Whisky Award für den besten Blended Whisky gewonnen. Malzig, nussig und etwas Aprikose.

Yamazaki Dark Sherry Oak, um 80 Euro. Reift in Sherryfässern – daher auch die Sherrynote, mit reifen Pflaumen und Kaffeearomen. Im Nachklang Noten von Rosinen und Lakritz.

Yamazaki 1984, um 500–600 Euro. Wurde gerade bei der International Spirits Challange zum Single Malt des Jahres gekürt. Erfahrungsberichte gibt es nicht – ihn hat noch kaum jemand getrunken.

VON SIMON HUFEISEN

Bob Harris sitzt in Tokio und er trinkt. Für Werbeaufnahmen ist der Schauspieler nach Japan gereist. Er soll für Whisky werben, für japanischen Whisky. Während der Dreharbeiten sitzt er verloren in einem Ledersessel, klammert sich ans Whiskyglas und sieht in die Kamera. „For relaxing times, make it Suntory Time“, säuselt Bob – und trinkt.

Das Unternehmen Suntory, für das der Schauspieler Bill Murray als Bob Harris in Sofia Coppolas Film „Lost in Translation“ das Chaos Tokios erträgt, ist Japans größte Whiskybrennerei. Und sieben Jahre nachdem Bill Murray darin für Suntory wirbt, hat die japanische Destillerie den Olymp der Whiskywelt erklommen. Bei der Preisverleihung der diesjährigen International Spirits Challenge im November gewann die Brennerei nicht nur mit ihrem Yamazaki 1984 den Preis für den weltbesten Single Malt Whisky – Suntory wurde auch zur Destillerie des Jahres gekürt.

Es ist bereits ihre zweite Auszeichnung als beste Destillerie innerhalb nur eines Jahres. Im Frühjahr hatte Suntory schon den World Whisky Award erhalten, nicht etwa eine der traditionsreichen Brennereien einer torfigen schottischen Insel, sondern eine japanische Destillerie aus Osaka, der drittgrößten Stadt Japans. Dort entsteht das schottische Nationalgetränk – Single Malt Whisky, also Whisky aus gemälzter Gerste. 10.000 Kilometer von Schottland entfernt.

Mit Suntorys Erfolg haben japanische Malt-Whiskys sämtliche internationalen Auszeichnungen erhalten. Und Bill Murray hat mit seiner Rolle in „Lost in Translation“ dazu beigetragen, dass japanischer Whisky in der ganzen Welt bekannt wurde.

Was wie eine flüchtige Modeerscheinung wirkt, ist seit fast hundert Jahren gewachsen. In dieser Zeit wurde Japan zur Whiskynation. Das Land ist mittlerweile zweitgrößter Single-Malt-Produzent der Welt. Dennoch klingen die Markennamen für viele Liebhaber des Getränks ungewohnt: Yamazaki, Hakushu oder Yoichi. Die Flaschen mit den kunstvollen japanischen Schriftzeichen erinnern eher an Exponate einer Wanderausstellung über das japanische Königshaus als an Behältnisse für Spirituosen, die gefüllt sind mit Whisky nach schottischer Machart.

Die ungewöhnliche japanische Whiskygeschichte beginnt, ganz klassisch, in Schottland. Nach vier Monaten Überfahrt erreicht Masataka Taketsuru im Dezember 1918 sein Ziel, die Hafenstadt Glasgow. Der Erste Weltkrieg ist gerade vorbei, und Taketsuru schreibt sich an der University of Glasgow ein. Er hat einen Auftrag: Chemie studieren und lernen, wie die Schotten ihren Whisky brennen. Taketsuru ist der Sohn einer Sake-Brennerei-Dynastie. Er ist Anfang 20, trägt Pomade im sorgfältig gescheitelten Haar und Schnurrbart. Neben dem Studium in Schottland beginnt er, Whiskydestillerien abzuklappern.

Ist es nur die Kopierkultur?

Zwei Jahre lang arbeitet er in Traditionsunternehmen: bei Hazelburn, bei Craigellachie, bei Lagavulin. Dann besteigt er mit dem Geheimnis des Whiskybrennens und einer schottischen Ehefrau einen Dampfer zurück nach Japan. 1923 hilft er Shinjiro Torii, der zweiten japanischen Whisky-Lichtgestalt, die erste Brennerei des Landes zu gründen: Yamazaki heißt sie, heute gehört sie zu dem Getränkeunternehmen Suntory, der Destillerie des Jahres 2010. Etwas später gründet Masataka Taketsuru eine eigene Brennerei. Sie gehört heute zu Nikka, der neben Suntory zweitgrößten des Landes.

Trotz der langjährigen Tradition werfen viele Experten den japanischen Brennereien vor, schottischen Whisky lediglich zu kopieren. Nicht ganz zu Unrecht. Zeitweise importierten die Destillerien schottisches Wasser und Gerste, kauften in den achtziger Jahren sogar traditionsreiche schottische Brennereien auf, darunter die ältesten des Landes. Japanologen hingegen sprechen von einer spezifisch japanischen Lernkultur. Einer Kultur, sich Wissen anzueignen, dann weiterzuentwickeln und zu perfektionieren. Das sei Tradition, sagt der Japanologe Till Weingärtner. „Besonders in den Künsten oder der buddhistisch-taoistischen Philosophie haben Schüler ihre Meister imitiert – das ist auf das Handwerk übergegangen.“

Hinzu kommt, dass in Japan die Grundvoraussetzungen für die Produktion von Single Malt, wie ihn die Schotten herstellen, stimmen: das Klima, das vor allem im Norden Japans dem schottischen ähnelt; die hohe Wasserqualität vieler Quellen, die wichtig ist für das Destillat.

Noch vor wenigen Jahren war es in Deutschland fast unmöglich, eine Flasche einer japanischen Marke zu finden. Weil der Großteil des Whiskys bisher im Land selbst getrunken wurde, waren die Premiumprodukte außerhalb Japans kaum zu finden. Nun wollen vor allem die großen Brennereien nach Europa und in die USA exportieren. Schon jetzt sind die Exporte dorthin um rund 10 Prozent gestiegen. Die Destillerie Nikka rechnet für 2010 sogar mit 40 Prozent Exportzuwachs.

Eine Entwicklung, die für Ulf Buxrud nicht überraschend kommt. Buxrud ist Schwede und Mitglied des illustren Clubs der Malt Maniacs, einer Vereinigung von Whiskyexperten. Buxrud ist 68 Jahre alt und Softwareentwickler. In der iranischen Hafenstadt Abadan trank er mit 15 Jahren seinen ersten Whisky. Von da an war er angefixt. Vor zwei Jahren nippte er sich dann von Norden nach Süden durch Nippon und schrieb danach das erste Buch, das sich ausschließlich mit Whisky aus dem Land der aufgehenden Sonne befasst: „Japanese Whisky – Facts, Figures and Taste“. Was er 10.000 Kilometer vom Mutterland des Whiskys entfernt schmeckte, fasst er heute in ein klares Urteil: „In etwa acht bis zehn Jahren“, sagt Buxrud, „werden japanische Whiskys den schottischen endgültig an Qualität überlegen sein.“

Priester geben ihren Segen

Ein Satz, für den er sich in den schottischen Highlands vermutlich Ärger einhandeln würde, aber Buxrud weiß seine Behauptung zu begründen. „Die moderne Whiskyproduktion hat sich in den letzten zehn Jahren erheblich verändert.“ Während sie sich in Schottland immer stärker zur standardisierten Massenproduktion entwickelt habe, gehe Japan den entgegengesetzten Weg. „Dort sehen wir eine Rückbesinnung auf die Grundsätze des Whiskybrennens.“ So hat sich beispielsweise in der Destillerie Yoichi auf der Insel Hokkaido seit Jahrzehnten kaum etwas geändert. Die Brennblasen werden immer noch mit Kohle befeuert. Wurde das Quellwasser früher für die Teezubereitung verwendet, nutzt man es heute für Whisky. Shintopriester segnen die Brennerei. Die Destillerien, sagt Buxrud, kreieren hier inzwischen eine Vielzahl unterschiedlicher Whiskys, die äußerst variantenreich schmecken und riechen. „Sie sind viel mehr als eine Kopie des schottischen Getränks.“

Das Geheimnis der Japaner sind ihre Fässer. Fässer aus amerikanischer Weißeiche, der Quercus-alba-Eiche, in denen zuvor spanischer Sherry lagerte. Sie sind es, die dem Whisky den Geschmack geben, die bestimmen, welche Aromen er während des Reifens aufnimmt. Doch es gibt nicht genug davon. Es wird schlicht zu wenig Sherry getrunken. Nur etwa fünf Prozent aller Whiskys reift in den Edelfässern.

Japanische Brennereien haben diese Entwicklung früh erkannt und eine Strategie entwickelt. „Während schottische Unternehmen über Jahre Sherryfässer in großen Stückzahlen aus Spanien orderten“, erklärt Ulf Buxrud, „beauftragten japanische Destillerien in den achtziger Jahren ihre ‚Scouts‘.“ Eine Schar Experten, die nach Spanien reiste, Sherrys kostete, Fässer abklopfte, deren Holzqualität prüfte, um gezielt die besten unter ihnen auszuwählen und auf Schiffe zu verladen. Über Jahre häuften die japanischen Brennereien so die besten Fässer der Welt an. Sie entschieden damit eine Art Fasskrieg für sich.

Doch die Konkurrenz im Kilt schläft nicht. Um der Entwicklung etwas entgegenzusetzen, sind schottische Destillerien erfinderisch geworden. „Einige bauen“, sagt Buxrud, „eigene Eichenfässer, vermieten sie an Sherryhersteller und holen sie dann benutzt zurück.“ Den Erfolg japanischer Brennerei wird das aber nicht aufhalten.

Nach japanischen Autos, Sushi und Hi-Fi-Stereoanlagen kommt nun also Single Malt Whisky aus Osaka oder Hokkaido. Wie das passieren konnte, erklärt sich aus dem Film „Lost in Translation“ allerdings nicht – Bill Murrays Urteil war vernichtend: „It’s not whisky, it’s icetea.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen