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Nasse Keller am Rhein

NRW ist zwar der Klimakiller Nummer eins in Deutschland, aber die Folgen des Klimawandels werden hier weniger dramatisch sein als in anderen Regionen, prophezeien Klimaforscher

AUS MÜNSTER RALF GÖTZE

Weltweit leiden unter dem Klimawandel besonders diejenigen, die ihn am wenigsten verschuldet haben. Innerhalb von Deutschland zeichnet sich ein ähnliches Bild ab. NRW bläst zwar mit Abstand das meiste Kohlendioxid in die Atmosphäre, bekommt aber voraussichtlich den Erderwärmenden Effekt des Treibhausgases vergleichsweise glimpflich zu spüren. Lediglich der Rhein wird künftig noch öfter über die Ufer treten. Das zeigten die Prognosen von WissenschaftlerInnen, die bis gestern beim zweitägigen Symposium „Globale Umweltveränderungen und Wetterextreme – Was kostet der Wandel?“ des Münsteraner Zentrums für Umweltforschung (ZUFO) ihre neusten Klimasimulationen vorstellten.

„Der Nordosten und der Südwesten Deutschlands wird sich auf regelmäßige Dürreperioden einstellen müssen“, sagte Daniela Jacob vom Max-Planck-Institut für Meteorologie. Trockene Winter, heiße Sommer: In Brandenburg und Baden-Württemberg würden sich nach ihren Berechnungen in den nächsten Jahrzehnten die Bedingungen für Tiere und Pflanzen massiv verschlechtern.

In diesen Regionen regnet es zwar weniger, aber dafür intensiver. „Der Trend geht zu Starkniederschlägen“, warnt daher Christian Schönwiese, Professor am Institut für Atmosphäre und Umwelt an der Uni Frankfurt. Dahinter verbirgt sich einfaches physikalisches Phänomen: Heiße Luft kann mehr Wasserdampf speichern als kalte. Das ermögliche eine bisher in unseren Breitengraden noch nie beobachtete Wetterphänomene wie sommerlichen Trockenperioden von mehr 50 Tagen in Folge, sagt Schönwiese. „Die in der Luft gespeicherten Wassermengen lassen als plötzliche Unwetter die Flüsse anschwellen.“ Verheerende Hochwasser wie die Elbeflut im Sommer 2002 sind für den Frankfurter Klimaforscher die logische Konsequenz. „Bereits jetzt folgt eine Jahrhundertflut der nächsten.“

Neue Rekordpegelstände sind aus der Schönwieses Sicht an Rhein, Donau und im Voralpenland zu erwarten – allerdings im Winter. In immer kürzeren Abständen werde die Kölner Altstadt kurz vor Karneval geflutet. „Früher hatten wir alle fünf Jahre ein Hochwasser – mittlerweile alle drei“, bestätigt die stellvertretende Leiterin der Kölner Hochwasser-Schutzzentrale, Yvonne Wieczorrec. „Soviel Charme es auch hat“, sagt Schönwiese, „ein Haus in Flussnähe würde ich mir da sicherlich nicht mehr kaufen.“

Ansonsten kommt Nordrhein-Westfalen in Computersimulation des Max-Planck-Institutes noch äußerst gut weg: Die Temperaturen steigen bis 2050 vergleichsweise moderat, die Niederschläge bleiben konstant. Dabei ist das Bundesland seit Jahrzehnten für den Großteil des deutschen Kohlendioxid-Ausstoßes verantwortlich. Die Zeiten, als die Rathäuser rot und der der Himmel im Ruhrgebiet schwarz war, sind zwar längst vorbei, aber selbst heutzutage produziert NRW immer noch mehr Treibhausgase als die vier nächst größeren Länder Bayern, Baden-Württemberg, Niedersachsen und Hessen zusammen. In Zahlen ausgedrückt: Ein Fünftel der deutschen Bevölkerung verursacht mehr als ein Drittel der bundesweiten CO2-Emissionen – vor allem wegen der hier konzentrierten Braunkohlekraftwerke. Eine Trendwende ist nicht in Sicht. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern stagniert seit Ende der neunziger Jahre der Treibhausgas-Ausstoß pro EinwohnerIn.

„Warum reagiert die Politik so wenig auf Ihre Forderung?“, lautete daher eine immer wieder gestellte Frage der SymposiumsteilnehmerInnen an die 16 ReferentInnen. Das Wissen sei vorhanden, allein es fehle der Wille, lautete zumeist der Tenor. Stefan Rahmstorf warf die Frage geschickt zurück. Mit Blick auf die im Publikum sitzenden VertreterInnen von drei Bundes- und acht Landesministerien appellierte der Professor am Postdamer Institut für Klimafolgenforschung: „Der Bremsweg ist zwar sehr lang, aber das ist kein Grund, nicht schon jetzt zu bremsen.“

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