nebensachen aus wien: Kampf gegen Hundekot oder: Ein Sackerl für jedes Gackerl
Wienerinnen und Wiener meckern gern – Raunzen nennt man das, ein etwas weinerliches Klagen über die Welt im Allgemeinen und das eigene Schicksal im Konkreten. Besonders gern raunzt man über das Wetter, die Regierung und die Hundstrümmerln. So heißt hier die fäkale Absonderung der liebsten Haustiere. Wer nicht auf die Straße schaut, läuft Gefahr, hin und wieder in ein frisches Gelege zu tappen. Da man den Tieren die Darmentleerung nicht verbieten kann, wurden immer neue Methoden ersonnen, wie den streng riechenden Tretminen beizukommen sei. Besonders originell ein Vorschlag der ÖVP, die die DNA aller in Wien lebenden Hunde erfassen lassen will, um jedes unsachgemäß deponierte Produkt dem Ursprungstier zuordnen zu können. Der Verwaltungsaufwand würde sich durch die Bußgelder amortisieren.
Bürgermeister Michael Häupl hält von solchen forensischen Methoden wenig. Er betrachtet das Problem als eines, mit dem man leben müsse, und appelliert an die Verantwortung der Hundehalter. Viele halten ihre Vierbeiner ohnehin an, ihr Geschäft im Rinnstein oder im Gebüsch zu erledigen. Aber man trifft immer wieder auch Zeitgenossen, die ihren ausgewachsenen Setter seine Diarrhö auf den Perron der U-Bahn entladen lassen. Über 100 eingezäunte Hundezonen, wo es Auslauf, eine Bank und Grünflächen zur Düngung gibt, werden gern genutzt und dienen auch als Orte der Begegnung.
Was außerhalb der Hundezonen passiert, ist problematischer. Die Wiener Straßenreinigung entsorgt die Trümmerln – so sie auf der Straße liegen – automatisch. Für die Säuberung der Gehsteige sind hingegen die Hausmeister verantwortlich. Appelle an die Disziplin der Hundehalter blieben aber regelmäßig fruchtlos. 50.000 registrierte und noch einmal ebenso viele „illegale“ Hunde hinterlassen 20 Tonnen Kot auf Wiens Straßen – täglich! Eine private Initiative gegen Hundstrümmerln wurde binnen weniger Wochen von 157.631 Menschen unterschrieben. Ein „Hundstrümmerlzähltag“, an dem sich fast 1.000 Wienerinnen und Wiener beteiligten, erbrachte 27.754 Objekte binnen weniger Stunden.
Vergangenen Mai mussten Bürgermeister Häupl und seine Umweltstadträtin Ulli Sima eine Petition der Trümmerlgegner entgegennehmen. Sie wurden darin aufgefordert, „der Verkotung Wiens durch Hunde dringendst Einhalt zu gebieten!“ Insbesondere sollten sie die Einhaltung der bestehenden Gesetze und Verordnungen durchsetzen. So geriet die Stadtverwaltung in Zugzwang. Seit Anfang des Monats soll jetzt eine Plakataktion aufrütteln. Ein Terrier erinnert auf dem Poster seinen Halter oder seine Halterin: „Nimm ein Sackerl für mein Gackerl“. Auf Hochdeutsch: „Nimm eine kleine Tüte für mein Kackelein“. Der Spruch ging als Sieger aus einem Wettbewerb hervor. An strategischen Stellen wurden Automaten aufgestellt, wo die Plastiktüten entnommen und – gefüllt – in einem Eimer auch wieder versenkt werden können.
Seit dem 23. Oktober läuft eine Aktion der Polizei, mit der in erster Linie die Hundemarken überprüft und sichergestellt werden soll, dass die Vierbeiner Maulkörbe tragen oder an der Leine geführt werden. Skeptiker zweifeln daran, dass die Uniformierten auch willens und in der Lage sein werden, durchzusetzen, dass jedes Gackerl in einem Sackerl verschwindet. RALF LEONHARD
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