: Nordländer lehnen Atom-Stiftung ab
ATOMAUSSTIEG Das Vorhaben der großen drei Energiekonzerne, die Kosten des Atomausstiegs der Allgemeinheit aufzubürden, stößt bei den Ministern von Schleswig-Holstein und Niedersachsen auf keine Gegenliebe
Energieminister Robert Habeck
Die zuständigen Minister der norddeutschen Flächenländer lehnen den Vorstoß der drei großen Energiekonzerne, die Kosten für den Abriss stillgelegter Atomkraftwerke der öffentlichen Hand aufzubürden, ab. Während ihre Länderkollegen aus dem Süden der Republik dem Vorschlag durchaus offen gegenüberstehen, da ja mal ein Energiekonzern pleite gehen und sich so der Verantwortung für die Atomaltlasten entziehen könnte, zeigten Schleswig-Holsteins Energieminister Robert Habeck und der Umweltminister von Niedersachsen, Stefan Wenzel (beide Grüne) klare Kante.
Die Minister reagieren damit auf einen Bericht des Spiegels, nach dem die Energiekonzerne Eon, RWE und EnBW gemeinsam mit dem Bund eine öffentlich-rechtliche Stiftung gründen wollen, die den Abriss der Atomkraftwerke und die Endlagerung des radioaktiven Mülls übernehmen soll. Laut Bericht soll die Stiftung zudem für den Betrieb der noch laufenden Kraftwerke bis zum Ausstieg 2022 zuständig sein. Die Unternehmen wollen etwa 30 Milliarden Euro einbringen. Der Bund soll für die Folgekosten aufkommen.
Habeck lehnt es ab, die Allgemeinheit mit den Kosten für die Abwicklung der Atommeiler zu belasten: „Die Industrie hat sich an der Atomenergie eine goldene Nase verdient.“ Nun der Gesellschaft die Kosten für die Entsorgung aufbürden zu wollen, sei „schäbig“, stellte Habeck klar.
Auch Stefan Wenzel geht auf klaren Gegenkurs. „Offenbar haben die Konzerne angefangen zu rechnen und gruseln sich jetzt vor den Zahlen“, vermutete er gegenüber „Spiegel online“. „Aber das kann man der öffentlichen Hand nicht vor die Füße kippen.“ Jeder Mittelständler, der in Insolvenz gehe, müsse „für alle Folgekosten oder Altlasten seines Betriebes aufkommen“.
Für Wenzel liegt das Kalkül der Betreiber auf der Hand. Diese bedrohen die Kassen der Bundesregierung mit Schadensersatzklagen aufgrund des Atomausstiegs, ließen aber in den vergangenen Tagen durchblicken, diese eventuell zurückzuziehen, wenn es zu der von ihnen angestrebten Abwicklungslösung kommen würde. „Sie haben vorgebaut. Sie bringen ihre Klagen jetzt als Pfand ein“, glaubt Wenzel.
Die Anti-Atomorganisation „Ausgestrahlt“ sprach von einem „vergifteten Angebot“ der Atomwirtschaft. Jahrzehntelang hätten die AKW-Betreiber damit geworben, wie kostengünstig ihr Atomstrom sei. Jetzt, da das teure Ende drohe, „wollen sie sich davon stehlen“, sagte „Ausgestrahlt“-Sprecher Jochen Stay. Wenn die Atomkraftwerke aber so unrentabel seien, dass sie noch nicht einmal ihre Abrisskosten einspielten, dann sollten sie „sofort abgeschaltet werden und nicht erst 2022“. MAC
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen